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Presseschau: Berlin will nicht auf seine Emanzipation verzichten

Zusammengestellt von Gerhard M. Friese14. Januar 2006

Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in den USA beschäftigt auch die ausländische Presse. Ein Überblick über die internationalen Reaktionen.

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Die britische Tageszeitung "The Independent" zieht eine insgesamt positive Bilanz des USA-Besuchs Merkels:

"Bushs Interesse, die unterkühlten Beziehungen zu beenden, die die vergangenen drei Jahre der Amtszeit von Gerhard Schröder ausgemacht hatten, war groß - vielleicht größer als das der Kanzlerin. Merkel hat vorsichtig signalisiert, dass sie kein US- Handlanger sein will. Von einer Normalisierung der deutsch-amerikanischen Beziehungen können beide Länder nur profitieren. Die größere Frage ist jedoch, ob Merkel der ehrliche Zwischenhändler zwischen Europa und Washington werden kann, der Tony Blair gern sein wollte. Die Europäische Union braucht so jemanden - und die USA auch."

Auch die italienische Zeitung "La Repubblica" betont die selbstbewusste Haltung der Bundeskanzlerin:

"Mit dem Treffen gestern im Weißen Haus zwischen der Kanzlerin und US-Präsident George W. Bush kündigt sich eine neue Phase in den euroamerikanischen Beziehungen an. Aber Berlin wird nicht auf seine Emanzipation verzichten, auf sein Recht, Nein zu sagen. Die schwere Krise mit dem Iran wird der erste Test sein, das haben beide gesagt - eine Gelegenheit, die Wiederannäherung und den wiedergefundenen Bündnis-Willen auf die Probe zu stellen."

Das niederländische Blatt "Trouw" setzt große Erwartungen in Angela Merkel:

"Wenn Merkel innerhalb der Europäischen Union Brücken schlagen und so einen schwelenden Konflikt um die Finanzen aus der Welt schaffen konnte, dann kann sie hoffentlich auch eine transatlantische Brücke zwischen den USA und kritisch gestimmten Ländern in Europa schlagen. Das nutzt der internationalen Zusammenarbeit auf zahlreichen Fronten, und nicht nur auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung."

Die "New York Times" schreibt:

"Frau Merkel könnte das sein, was Washington braucht, ein glaubwürdiger europäischer Freund und mit Einfluss auf beiden Seiten... Leider wird Frau Merkel Herrn Bush nicht dazu bewegen können, (das Gefangenenlager) Guantanamo zu schließen, aber wenn sie ihn überzeugen kann, dass der Rat von einem Freund kommt, wird ihr Besuch hilfreich sein."

Und die "Baseler Zeitung" aus der Schweiz resümiert:

"Wie genau freilich das so ganz neue Verhältnis zu Berlin aussehen soll, da bleiben in Washington die Angaben vage. Die "rote Linie" der Merkel-Regierung in Sachen Irak - keine Soldaten - ist akzeptiert. In der Iran-Frage weiß man, dass es für jeden Kanzler heikel wird, sollten die USA zu militärischen Mitteln greifen. Der deutsche Einsatz in Afghanistan und auf dem Balkan wird anerkannt... Sichtbarstes Zeichen der neuen Beziehung könnte da schon sein, wenn Bush in der nächsten Krise zum Hörer greift und auch in Berlin anruft."