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Presseschau: Die Rolle des Ministers beim Kundus-Angriff

19. März 2010

Wer wusste was zu welchem Zeitpunkt, und wurden die richtigen Konsequenzen gezogen? Die deutschen Tageszeitungen befassen sich in ihren Kommentaren mit dem Kundus-Ausschuss. DW-WORLD.DE dokumentiert einige Pressestimmen.

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Bild: DW

Frankfurter Allgemeine Zeitung:

"Warum wurde zunächst vehement bestritten, dass es auch zivile Opfer gegeben haben könnte? Wollte da jemand etwas vertuschen? Verteidigungsminister zu Guttenberg ist bisher die Antwort schuldig geblieben, warum er bei der Beurteilung des Luftangriffs eine Kehrtwende von 'militärisch angemessen' zu 'militärisch nicht angemessen' vollzogen hat. Die Begründung, Wichert und Schneiderhan hätten wegen ihm, Guttenberg, 'vorenthaltener' oder 'unterschlagener' Dokumente gehen müssen, hat der Minister inzwischen leicht abgeschwächt. Doch Schneiderhan will den Vorwurf, wie sein Auftritt im Ausschuss zeigt, nicht auf sich sitzen lassen."

Saarbrücker Zeitung:

"Von dem Vorgang bleibt trotzdem etwas: Man hat jetzt gelernt, dass zu Guttenberg für seine Karriere bereit ist, notfalls auch sehr verdiente Personen zu opfern und dabei die Wahrheit zu verbiegen. Man hat außerdem gelernt, dass er mitunter schneller redet als er denkt. Beides sind nicht die besten Eigenschaften für einen, der das Oberkommando über das Schießen hat."

Heilbronner Stimme:

"Noch sind die Schwaden der geworfenen Nebelkerzen nicht verzogen. Aber interne Dokumente und Äußerungen im Untersuchungsausschuss des Bundestags bringen Karl-Theodor zu Guttenberg schwer in Bedrängnis. Klar ist schon jetzt: Der vor Monaten noch als möglicher künftiger Kanzler gehandelte CSU-Politiker hat bei der Krisenbewältigung erstaunliche Anfängerfehler gemacht. Er hat nach Amtsantritt den verheerendsten Luftangriff der deutschen Nachkriegsgeschichte ohne jede Not als richtig verteidigt und musste sich bald darauf korrigieren. Er hat den obersten General und seinen Staatssekretär mit der Unterstellung gefeuert, ihm Dokumente bewusst vorenthalten zu haben und musste auch das zurücknehmen. Jetzt wird fein säuberlich geklärt, wer wann was genau wusste. Sollte zu Guttenberg dabei falscher Behauptungen überführt werden, wäre sein Fall noch steiler als sein Aufstieg zuvor."

Hannoversche Allgemeine:

"Im Grunde geht es darum, ob zu Guttenberg Schneiderhan und den Staatssekretär Peter Wichert in die Wüste geschickt hat, um seine eigene anfängliche Überforderung zu kaschieren. Es geht um Fragen der Ehre. Zu Guttenberg macht auf diesem Feld keine gute Figur. Sein Versuch, die beiden Männer durch eine öffentliche Abmilderung seiner Vorwürfe zu besänftigen, ist plump und durchsichtig. Doch die Bewertung der Rollen von Schneiderhan und vor allem Wichert ist komplizierter als erwartet. Ihr verständliches Bemühen, Schaden vom Ansehen der Bundeswehr abzuwenden, trieb offenbar eigentümliche Blüten. Wenn das Isaf-Kommando und selbst die Generalstaatsanwaltschaft Manipulationsversuchen ausgesetzt waren, kann ein Minister schon ins Grübeln kommen, ob er stets angemessen unterrichtet wird."

Badische Neueste Nachrichten (Karlsruhe):

"Doch wer wann wem welche Akte vorgelegt hat, sind doch nur Nebenkriegsschauplätze. Es wird damit von der wirklich entscheidenden Frage abgelenkt: Kann es sich Deutschland leisten, bei der ersten ernsthaften Herausforderung für die deutsche Armee im Einsatz dieser die Solidarität zu entziehen? In einem Krieg gegen einen Feind, der so ziemlich jeden schmutzigen Trick benutzt, bindet man den deutschen Soldaten mit einem Wust an Vorschriften die Hände und unterbindet so notwendiges Handeln."

Kölnische Rundschau:

"Der Minister ist ein Einzelkämpfer. Er war der erste Ressortchef, der den Krieg in Afghanistan auch als solchen bezeichnete. Und er war der erste Minister, der den verheerenden Luftschlag in Kundus militärisch rechtfertigte - und sein Urteil widerrufen musste. Allerdings bezichtigte er zur Begründung dieser Läuterung seinen damaligen Generalinspekteur indirekt der Lüge und feuerte diesen sowie seinen Staatssekretär. Seither kämpft Guttenberg um seine Glaubwürdigkeit. Jetzt muss der Minister aus der Defensive kommen. Derzeit wirkt es aber, als versuche er vor allem mit Vorschlägen seine Haut zu retten: Doch zu Guttenbergs jüngster Schachzug zum Grundwehrdienst taugt in keinem Fall zum Befreiungsschlag."

Münchner Merkur:

"Nachvollziehbar ist nach wie vor die Trennung von Generalinspekteur Schneiderhan und Staatssekretär Wichert, die offenbar eigenwillig mit Informationen umgingen und folgerichtig mit Vertrauensentzug durch den Minister bestraft wurden. In Erklärungsnöte gerät Guttenberg allerdings dann, wenn er seine spektakuläre Kehrtwende bei der Bewertung des Bombenangriffs begründen soll. In diesem Punkt macht der sonst so alerte Minister eine recht unglückliche Figur, und der politische Gegner wird nicht ruhen, bevor er Guttenbergs Star-Fassade ein paar Kratzer zugefügt hat. Ärgerlich an der ganzen Sache ist, dass ein blutiger Krieg zur Dekoration eines Polit-Tribunals verkommt und die wirklich wichtigen Fragen, die der Ausschuss zu klären hätte (wie viel Methode verbirgt sich im Nebel um den Bombenangriff?) hinter der fröhlichen Hatz auf einen unerfahrenen Jung-Minister unterzugehen drohen."

Redaktion: Frank Wörner