1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Presseschau von Dienstag, 29.Oktober

Susanne Eickenfonder28. Oktober 2002

Moskau und Tschetschenien / Brasilien / Sparpaket

https://p.dw.com/p/2miq

Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse befassen sich auch an diesem Dienstag mit den Folgen der gewaltsamen Geiselbefreiung in Russland. Beachtung finden zudem die Präsidentenwahl in Brasilien sowie das Sparpaket der Bundesregierung. Gedanken über das verwendete Betäubungsgas bei der Erstürmung des Theaters in Moskau macht sich der MANNHEIMER MORGEN:

"Ist das Glas halb voll oder halb leer, wenn knapp ein Fünftel eine dramatische Rettungsaktion nicht überlebt? Lässt sich der Einsatz als geglückt oder misslungen einschätzen? Der Kreml muss alle Fakten auf den Tisch legen, auch die über Art und Dosis des eingesetzten Gases. Wenn selbst das medizinische Personal darüber im Unklaren gelassen wird, ist eine optimale Behandlung der vielen Verletzten unmöglich. Warum diese Geheimniskrämerei, was hat Präsident Wladimir Putin zu verbergen?"

Die DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN führen aus:

"Vertuschen, verschleiern, fälschen - manchmal plump, bisweilen mit Raffinesse: Russlands Inlandsgeheimdienst FSB versucht nach der Erstürmung des Moskauer Musical-Theaters die Informationshoheit mit allen Mitteln zu gewinnen. Die Informationspolitik wirkt wie ein Rückfall in alte Zeiten. Glasnost ist weit weg. Dabei haben die Bürger ein Anrecht darauf zu erfahren, welches Nervengas eingesetzt wurde."

DIE HAMBURGER MORGENPOST sieht es ähnlich:

"Wie bizarr, dass erst nach der Befreiungsaktion das große Rätselraten beginnt - und nach drei Tagen noch immer anhält. Wie zynisch und Menschen verachtend muss man sein, um die Angehörigen und Freunde der Geiseln über so lange Zeit im Unklaren zu lassen. Wie kalt muss ein Herz sein, das sich nicht erweichen lässt von den Tränen, die Menschen jetzt vor den Krankenhäusern weinen. Und Premier Putin? Mit stahlharter Miene und blutunterlaufenen Augen gibt er nun den 'Russen-Rambo'."

Die ALLGEMEINE ZEITUNG in Mainz spannt den Bogen nach Tschetschenien
und stellt fest:

"Russland bleibt sich treu. Auch unter Putin hat es sich allenfalls an der Oberfläche verändert. Geheimniskrämerei auch dort, wo die Wahrheit längst auf dem Tisch liegt. Der Kreml fühlt sich herausgefordert und zeigt, wer Herr im Hause ist: zunächst in Moskau und anschließend in der abtrünnigen Kaukasusrepublik Tschetschenien, wo eine Großoffensive begann. 'Vergeben Sie uns', hat der Kremlherr an die Hinterbliebenen der Opfer appelliert. Ob er damit auch die Hinterbliebenen der russischen Mordtaten in Tschetschenien meinte? Wohl kaum."

In der PFORZHEIMER ZEITUNG lesen wir:

"Die Welt blickt wieder nach Tschetschenien - aber anders, als es sich die gewünscht hätten, die sich um eine politische Lösung des Konfliktes bemüht haben - darunter auch die Bundesrepublik. Denn seit dem 11. September 2001 ist die Welt zu großen Teilen bereit, Terrorismus jeder Form mit allen verfügbaren Mitteln zu bekämpfen. Daher kann Putin mit Unterstützung rechnen, wenn er androht, Terror mit eiserner Faust zu bekämpfen."

Themenwechsel. Mit der Wahl des Brasilianers Lula da Silva zum Präsidenten des Landes beschäftigt sich das MAIN-ECHO in Aschaffenburg:

"Bravo Brasilien! Die Wahl des bärtigen Sozialisten signalisiert eine Wende, aber keinen Bruch. Denn erstens hat der scheidende Präsident, Professor Fernando Henrique Cardoso, mit einer seriösen Politik das Feld bereitet und zweitens ist Lula vom radikalen Bürgerschreck zu einem Staatsmann gereift, der weiß, dass man eine Nation nicht im Hauruckverfahren verändert. Lula wurde gewählt, weil die Brasilianer mehr soziale Gerechtigkeit erwarten, aber auch, weil sie diesem Mann abnehmen, dass er sich ehrlich bemüht." Abschließend noch eine Stimme zum Sparpaket der Bundesregierung.
Die KÖLNISCHE RUNDSCHAU meint:

"Da steht einiges bevor. Das Finanzkonzept der Koalition enthält Fehler, die Korrekturen objektiv nötig machen. Die vereinbarte Aufhebung der Spekulationsfristen ist offenbar nicht auf ihre Machbarkeit geprüft worden. Und wie konnte die Gesundheitsministerin es hinnehmen, dass den defizitären Krankenkassen über eine Milliarde Euro entzogen werden sollen? Zweitens ist das rot-grüne Konzept unausgewogen und damit für Protest anfällig. Subventionsabbau ist ja eine gute Sache, aber er funktioniert nur, wenn alle Interessengruppen gleichermaßen betroffen sind."