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Presseschau von Donnerstag, 19. Dezember

Helmut Schmitz18. Dezember 2002

Bundesverfassungsgericht stoppt Zuwanderungsgesetz

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Das herausragende Thema der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen ist an diesem Donnerstag die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe, nach der das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat verfassungswidrig zu Stande gekommen ist.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München schreibt:

'Das Zuwanderungsgesetzt ist tot, es lebe das Zuwanderungsgesetz! Die Verfassungsrichter haben es zwar aufgehoben, aber aufgehoben heißt in diesem Fall nur: aufgeschoben. Das Land braucht dieses Gesetz oder eines von mindestens dieser Qualität. Und all die Unions-Politiker, die gestern über das vorläufige Scheitern des Gesetzes jubilierten, wissen das sehr wohl. Sie werden sich, es sei
denn, das Wohl des Landes ist ihnen egal, selbst zur Räson bringen müssen. Die Bundesverfassungsrichter haben sich einer solchen Disziplinierungsmaßnahme verweigert; es war und ist auch nicht ihre ureigene Aufgabe.'

In der WESTDEUTSCHEN ZEITUNG aus Düsseldorf heißt es:

'Die Union frohlockt, die Koalition bläst Trübsal. Nach dem
Karlsruher Stopp des Zuwanderungsgesetzes muss das Politik-Theater um diese wichtige Reform neu inszeniert werden. Innenminister Schily will das Gesetzeswerk im Januar in unveränderter Form wieder in den Bundestag einbringen. Dann müsste im Vermittlungsausschuss wieder um einen Kompromiss mit der Union gerungen werden. Es sei denn, die SPD gewinnt die Landtagswahlen nicht nur in Schröders Stammland Niedersachsen, sondern auch in Hessen. Ansonsten droht ein ähnliches peinliches Gerangel wie am 22. März. Das traurige daran ist, dass das Ganze auf dem Rücken der Ausländer ausgetragen wird.'

Die BERLINER ZEITUNG meint:

'Nicht der fehlende Konsens im Zuwanderungsrecht ist das Problem, sondern die fehlende Bereitschaft der Union, ihn endlich anzuerkennen. Und es ist zu befürchten, dass die Partei so lange mit Blindheit geschlagen bleibt, bis sich der Konsens in den bevorstehenden Landtagswahlkämpfen tatsächlich wieder in einen Dissens verwandelt hat. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat angekündigt, das gescheiterte Zuwanderungsgesetz alsbald unverändert
erneut in den Bundestag einzubringen. Das ist nicht nur mutig, es ist auch vernünftig.'

Die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt bemerkt:

'Würden die Parteien doch so viel Eifer zur Durchsetzung von
Reformen zeigen, wie sie ihn bei deren Blockade entwickeln. Obwohl beim Zuwanderungsgesetz der seltene Fall eingetreten war, das weite Teile der Gesellschaft zustimmten, sträubte sich diesmal die Union mit allen ihr zur Gebote stehenden Mitteln. Zuwanderung nach Deutschland zu regulieren nach den regionalen Bedürfnissen der Wirtschaft bei unantastbarer Würde der Einreisenden und ihrer Familien, bleibt somit weiterhin ein Gegenstand von parteipolitischem Machtkampf. Während es einerseits den Grünen darum geht, ihrer Klientel den Beweis von Durchsetzungsfähigkeit anzutreten, diente das Gesetz der Union oft auch zur Selbstfindung als knüppelharte Opposition.'

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG kommentiert:

'Es ist leider eher typisch für den Zustand des Reformstandortes Deutschland, dass die geregelte Zuwanderung und der vernünftige Umgang mit Einwanderern bei uns nicht wegen eines Streites um Gesetzes-Inhalte ungeklärt bleibt, sondern weil bei Verfahrensfragen
im Bundesrat gefehlt wurde. Am überzeugendsten treten die Politiker eben gern dann auf, wenn es um vergleichsweise Kleinigkeiten geht. Denn in der Sache, das weiß beispielsweise Peter Müller, der CDU-Kläger aus dem Saarland, ganz genau, ist das rot-grüne Gesetz ganz dicht bei seinen eigenen zumutbaren Zuwanderungs-Vorstellungen - als er die noch entwickeln durfte.'

Abschließend der MANNHEIMER MORGEN:

'Es geht der Spruch, dass sich der Sozialdemokrat Otto Schily und der CDU-Ministerpräsident Peter Müller innerhalb von zwei Stunden über ein neues Zuwanderungsgesetz einigen könnten, wenn man sie denn ließe. Im Bremserhäuschen sitzen die Grünen, die nun noch kompromissloser als bisher ihre Interpretation von Menschen- und Minderheitenrechten und ihre sehr großzügige Auslegung von Asylgründen verteidigen werden. Deshalb müssen sich der Kanzler und sein Schily schon sehr bald entscheiden, was ihnen wichtiger ist: Die Einigung mit der Union oder die Treue zum grünen Koalitionspartner. Den faulen Mittelweg gibt es dieses Mal nicht, der Vorhang im Bundesratstheater ist gefallen.'