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Presseschau von Freitag, 01.November 2002

Reinhard Kleber. 1. November 2002

Reformpläne für Gesundheitswesen / Regierungskrise in Israel / Fischer-Besuch in USA

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In den deutschen Tageszeitungen widmen sich die Kommentatoren vor allem dem Streit um die Reformpläne von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Weitere Themen sind die Regierungskrise in Israel und der Besuch von Außenminister Joschka Fischer in den USA.

Die Zeitung DIE WELT schreibt zu den Reformvorschlägen der Gesundheitsministerin:

"Ulla Schmidt ist bisher nicht als kraftvolle Gesundheitsministerin aufgefallen. Doch seit Bundeskanzler Gerhard Schröder ihr wider Erwarten das Amt noch einmal anvertraut hat, scheint sie Nägel mit Köpfen machen zu wollen. Angesichts der großen finanziellen Notlage des Gesundheitssystems will die Ministerin schnell Kosten begrenzen.

Patienten bekommen weniger Arzneimittel verschrieben, Ärzten werden die Honorare eingefroren, Pharmahersteller werden zu Großkunden- Rabatten an die Krankenkassen verdonnert, und die Kassen dürfen die Beiträge nicht erhöhen. Wenn alle aufschreien, wie es jetzt der Fall ist, kann Frau Schmidt nicht ganz falsch liegen. Denn am Gesundheitswesen verdienen viele, und die Ministerin setzt die Schere überall gleichzeitig an. Das ist gewagt und doch richtig."

In der BERLINER ZEITUNG lesen wir dazu:

"Unser Gesundheitssystem kann nur genesen, wenn es stärker marktwirtschaftlichen Prinzipien gehorcht. Im rot-grünen Koalitionsvertrag wird eine solche Reform zwar angedeutet. Aber warum ist die nicht längst fertig? Jetzt will sich Schmidt mit der mächtigen Gesundheitslobby für Kokolores anlegen. Nach allem, was sie bisher ins Werk gesetzt hat, muss man folgern: Ach, wäre Ulla Schmidt bloß Vorschaltministerin geblieben."

Zum Austritt der israelischen Arbeitspartei aus der Regierung heißt in der TAGESZEITUNG aus Berlin:

"Benjamin Ben-Elieser war Ariel Scharons treuester Mitarbeiter. Als Chef der Arbeitspartei und Verteidigungsminister hat er die brutal- sten Maßnahmen seines Premiers ausgeführt und Scharons Politik, jede Friedensmöglichkeit zu zerstören, unterstützt. Jetzt hat Ben-Elieser die Regierung verlassen. Warum? Wenn ein Politiker, der soeben noch eine kompromisslose Kriegspolitik unterstützt hat, sich plötzlich als Taube entpuppt, dann bedeutet das, dass er meint, die Wähler hätten den Krieg satt; dass sie einen Führer suchen, der bereit ist, über einen vernünftigen Frieden zu verhandeln; und dass ein grosser Teil der Öffentlichkeit die Unterstützung des Siedlungsbaus ablehnt."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU vertritt folgende Ansicht:

"Fast 20 Monate lang hat Ariel Scharon den Landesvater gegeben. Und die so verstandene Rolle als Israels Regierungschef möchte er auch beibehalten, trotz des abrupten Abgangs seiner wichtigsten Koali- tionspartner von der Arbeitspartei. Doch die Frage, ob ihm das glückt, hängt nicht allein von numerischen Mehrheiten in der Knesset ab. (...) Keiner wird sich finden lassen, der so gut wie Friedensnobel- preisträger Schimon Peres künftig als Feigenblatt für einen rigiden Kurs herhalten könnte. (...) Dass der Premier bislang so hohe Sympathiewerte genoss wie keiner seiner Vorgänger, hatte vor allem mit der nun kollabierten Regierung der Nationalen Einheit zu tun."

Mit Blick auf das gespannte deutsch-amerikanische Verhältnis merkt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG zum Besuch von Außenminister Fischer in Washington an:

"Der Irak-Kriegsgeneral Colin Powell und der ehemalige Straßenkämpfer Joschka Fischer haben dafür gesorgt, dass man sich auf vernünftige Gesprächskontakte zurückbesinnt. Ein Abbitt-Gang nach Canossa war das nicht, aber eine notwendige diplomatische Geste, um wieder politikfähig zu werden. Für ein deutsches Nein zum Militärschlag gegen den Irak muss sich kein Minister entschuldigen. Wenn, dann brachte Ex-Ministerin Däubler-Gmelin mit dem ihr zugeschriebenen Vergleich Bushs mit Hitler den Canossa-Gedanken auf."

Zum Schluss zitieren wir die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt:

"Der gewohnt liebe, aber doch etwas schlichte Michel fängt auf einmal an, eigene Wege zu gehen. Das ist unbequem. Ein Prozess, der sich fortsetzen wird. Unabhängig davon, wer in Berlin regiert. Für die Amerikaner käme es darauf an, nun nicht den beleidigten Vormund zu spielen, sondern rechtzeitig die Deutschen einzubinden. Das ist auf dem Balkan und in Afghanistan erfolgreich geschehen. Das sollte auch bei anderen Konflikten möglich sein. Zwischen der zuweilen übertriebenen Eilfertigkeit der Briten und der in Sturheit ab und an abgleitenden Eigenwilligkeit der Franzosen wäre ein guter Platz in der Mitte. Genau da gehört Deutschland hin."