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Presseschau von Mittwoch, 06. November

6. November 2002

Renten-Beiträge

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Im Blickpunkt der Kommentatoren stehen an diesem Mittwoch die Beschlüsse der rot-grünen Regierungskoalition zur Sicherung der Sozialsysteme. Vor allem geht es um den Beschluss, die Rentenbeiträge auf 19,5 Prozent zu erhöhen.

Dazu schreibt die WESTDEUTSCHE ZEITUNG:

"Vollmundig hatte Grünen-Chef Fritz Kuhn getönt, dass seine Partei aus dem Renten-Sparpaket von Ulla Schmidt noch einiges herausnehmen werde. Doch wehe dem, der seinen Mund zu voll nimmt! Nach der Koalitionsrunde stand der kleine Regierungspartner plötzlich mit leeren Händen und ziemlich dumm da. Als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet - selten hat der Spruch so gestimmt."

Das sieht der MANNHEIMER MORGEN ähnlich:

"Die Wahl gewonnen, doch an Einfluss verloren - bitterer hätte die Legislaturperiode für die Grünen nicht beginnen können. Die Sozialdemokraten haben unmissverständlich die Machtverhältnisse in der Koalition zurecht gerückt und ihren Partner, auf dessen Stimmen sie dringend angewiesen sind, zum bloßen Erfüllungsgehilfen degradiert."

Kritik an den Grünen kommt auch vom BERLINER KURIER:

"Hoch erhobenen Hauptes, stolz wie Spanier gingen die Grünen in die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner. Dort bissen sie in den sauren Apfel, ohne das Gesicht zu verziehen. Beim Rentenstreit hat sich die SPD auf ganzer Linie durchgesetzt, den kleinen Partner klein gemacht. (...) Fakt ist: Die Grünen sind in die Knie gegangen. Anstatt Kreuz zu zeigen, sind sie zu Kreuze gekrochen. Dafür bekommen sie die rote Karte."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE befindet lapidar:

"Vergessen wir die Siegesmeldungen der Wahlnacht, die Mär von den Zugewinnen der Grünen und den Verlusten der SPD - sechs Wochen danach hat der Bundeskanzler das Ganze wieder zurechtgerückt: Die SPD regiert allein, die Grünen halten sich an ihren Pöstchen fest."

Die WELT bemerkt zu den Beschlüssen:

"Eines ist sicher: Die Rente ist es nicht mehr. Mit der happigen Beitragserhöhung kommen die rot-grünen Flickschuster keineswegs auf die 'sichere Seite', wie SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagt. Nein, sie geraten endgültig in eine teuflische Spirale, in der eine Beitragserhöhung erst Jobs vernichtet, was die Einnahmebasis weiter verkleinert - und dann die nächste Beitragserhöhung erzwingt. In einem geradezu rührenden Reflex begehrten die Grünen zwar jetzt ein erstes, kurzes Mal dagegen auf. (...) Doch sie holten sich eine deftige Abfuhr, die Gerhard Schröder wie zur Warnung an den kleineren Partner nicht einmal notdürftig kaschieren mochte."

In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG heißt es:

"Der Kanzler steht vor einem Dilemma. Tatsächlich liegt ein Schlüssel zur Rettung der Sozialsysteme auf dem Arbeitsmarkt. Jeder Job spült Geld in die Kassen für Rente und Gesundheit, und weil diese Kassen so leer sind, ist Arbeit viel zu teuer. Doch die Macht der Rentner ist groß, und deshalb kürzt die Regierung wieder einmal nicht die Rente, sondern erhöht die Beiträge. Dadurch wird die Schwelle noch höher, ab der es sich für eine Firma lohnt, einen Mitarbeiter einzustellen. Reformen an einer Stelle bringen nichts, wenn an anderer Stelle das Gegenteil geschieht."

Die in Chemnitz erscheinende FREIE PRESSE erinnert an frühere Zusagen der Regierungskoalition:

"Zwar wird der Ausspruch, 'was interessiert mich mein Geschwätz von gestern' Konrad Adenauer zugeschrieben, aber dieser Satz erlebt in den Tagen des rot-grünen Neuanfangs eine traurige Renaissance. Noch vor zwei Jahren sicherte die Schröder-Regierung für das kommende Jahr einen Rentenbeitragssatz von 18,7 Prozent zu. In den Koalitionsverhandlungen einigten sich die Regierungsparteien dann auf 19,3 Prozent. Jetzt sollen es 19,5 Prozent werden."

Lediglich die FRANKFURTER RUNDSCHAU zeigt Verständnis mit der Regierung: Wir lesen: "Festzuhalten ist, dass der Beitragssatz noch immer unter seinem Höchststand zu Zeiten der Regierung Kohl liegt. Erreicht wurde dies allerdings nur durch den massiven Einsatz von Öko-Steuermitteln. Festzuhalten ist ferner, dass der Gesetzgeber in den vergangenen zehn Jahren bereits mehrfach die Leistungen für Rentner kräftig beschnitten hat. Ohne diese Reformen läge der Satz heute schon bei mehr als 23 Prozent."

Martin Muno