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Presseschau von Montag, 9.Dezember

die Redaktion hatte Herbert Peckmann. 9. Dezember 2002

Neue Grünen-Parteispitze/ Irakischer Rüstungsbericht vorgelegt

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Die Ergebnisse der Bundesdelegierten-Versammlung der Grünen in Hannover und der jetzt vom Irak vorgelegte Bericht über das Rüstungsprogramm des Landes stehen im Mittelpunkt der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen.

Zum Wechsel in der Parteispitze bei den Grünen schreibt DIE WELT:

"Claudia Roth und Fritz Kuhn waren erfolgreiche Vorsitzende. Ob man sich die Namen ihrer Nachfolger lange wird merken müssen, ist äußerst fraglich. Bislang konnten sie nur bedingt überzeugen. (Angelika Beer und Reinhard Bütikofer)...sind zweite Wahl, und beide werden nach kurzer Schonzeit an ihren Leistungen gemessen. Die Grünen präsentieren sich gern als Modernisierer einer fehlgestarteten Koalition. Eine spätpubertierende Partei allerdings, die sich vor allem mit hausgemachten Problemen befasst, ist zu vielem fähig, freilich kaum zu echten Reformen."

Anders sieht es die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Wenigstens wissen sie sich einig in ihrem schlechten Gewissen. Kaum eine Rednerin, kaum ein Redner versäumte in Hannover zu bedauern, dass die Inhalte zu kurz kämen. Ob sie sich nun vollends eingerichtet haben in der Regierungsrolle oder aber die schnelle Gewöhnung an Macht misstrauisch beäugen - die Grünen kennen ihre Pflicht. Ganz einmütig, ohne alle Strömungsgrenzen sehen sie sich als Reformmotor, der eine zähe Sozialdemokratie antreibt. Sie haben die Aufgabe verstanden, den Sozialstaat neu zu definieren - und zwar so, dass er einerseits das Attribut sozial noch verdient und andererseits vor lauter Staat nicht die Bürger verschwinden."

Für die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera war - Zitat-

" ... die faktische Abwahl Claudia Roths und Fritz Kuhns ... eine öffentliche Selbstenthauptung. Kein Bürger und kein Wähler wird es verstehen. Ein Fall von Todessehnsucht. Alles sprach pragmatisch dafür, ihre bislang erfolgreichste Führung so lange zu halten, bis die Partei in einer Urabstimmung über das Gebot der Trennung von Amt und Mandat entschieden haben wird. Das Führungschaos wird sich unmittelbar bei den Wahlen im Februar rächen ... ."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG fand alles so wie immer bei den Grünen. Das Blatt schreibt:

"(Es war) ... chaotisch, unübersichtlich, destruktiv - und selbst darin sympathisch. Dass die Partei dabei über die Jahre in vielen Ländern und auch im Bund relativ erfolgreich Regierungsverantwortung getragen und ihre Position in der deutschen Parteienlandschaft stabilisiert hat, mag angesichts der anachronistisch anmutenden innerparteilichen Querelen verwundern. Andererseits leben die Grünen mit eben dieser Schizophrenie ganz gut, denn sie macht die Partei aus: nach außen funktionieren, nach innen diskurieren. Minderheiten mitschleppen, mit Mehrheiten regieren. Basisdemokratie zelebrieren, Führungskraft inszenieren."

Themenwechsel. Den jetzt den Vereinten Nationen vorgelegten irakischen Bericht über das Rüstungsprogramm des Landes kommentiert die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND:

"Es ist bisher nicht bekannt, was die irakische Führung in ihrem 12.000-Seiten-Konvolut offen gelegt und was sie alles verschwiegen hat. Trotz und gerade wegen der Papierflut spricht jedoch vieles dafür, dass Bagdad erneut die lückenlose Darlegung sämtlicher Rüstungsprogramme verweigert, die von der internationalen Gemeinschaft verlangt wird. Die irakischen Kommentare vom Wochenende lassen befürchten, dass Saddam Hussein die letzte Ausfahrt vor einem Krieg verpasst hat. Die Weltgemeinschaft darf sich nicht an der Nase herumführen lassen."

Auch die RUHR NACHRICHTEN aus Dortmund sind skeptisch:

"Erst nach und nach dürfte sich ein Bild von den rüstungstechnischen Aktivitäten Saddam Husseins ergeben - aus den jetzt übergebenen Dokumenten und aus den Berichten der UN-Waffeninspektoren vor Ort. Und erst dann wird sich herausstellen, ob das Regime Saddam Hussein die 'Informationsoffensive' gegenüber der UNO als taktisches Spielchen genutzt hat, um Zeit zu schinden, oder ob Bagdad tatsächlich etwas an einem neuen Verhältnis zu den Vereinten Nationen liegt."

Schließlich noch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Zur Dramaturgie der Machtprobe mit dem mächtigsten Land der Welt passt es, dass Saddam Hussein auf Zeit spielt. (...) Washington wird jedenfalls nicht umhin kommen, den Vereinten Nationen bald auch jene geheimen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die angeblich das trickreiche Katz-und-Maus-Spiel Bagdads belegen. Dabei drängt die Zeit: die Reservisten sind eingezogen, die Soldaten proben am Golf mit Manövern längst den Ernstfall, doch mit dem Beginn der heißen Jahreszeit wäre ein Krieg für Menschen und Material unerträglich; die Entscheidung über Krieg und Frieden wird mithin in den nächsten Wochen fallen müssen."