1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Presseschau von Samstag, 14. Dezember

Stephan Stickelmann17. Dezember 2002

EU-Erweiterung / Streit über Koch-Äußerung

https://p.dw.com/p/2zki

Der nach harten Verhandlungen doch noch erfolgreich zu Ende gegangene EU-Erweiterungsgipfel ist das wesentliche Kommentarthema der Tagespresse. Weiter Beachtung finden auch die Judenstern-Äußerung des hessischen Ministerpräsidenten Koch und der sich anschließende Meinungsstreit.

Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn resümiert den EU-Gipfel folgendermaßen:

"Kopenhagen hat, ohne Frage, die Erwartungen erfüllt: Der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs wird als 'historisches Ereignis' in die Geschichtsbücher eingehen. Allein dass es der 15-er-Gemeinschaft tatsächlich gelang, gleich zehn weiteren Ländern auf einen Schlag die Tore zu öffnen, ist einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde wert."

Die FRANKENPOST aus Hof ist der Ansicht:

"Es ist ein historischer Beschluss, den die Staats- und Regierungschefs der jetzigen Unions-Staaten nach langem Hin und Her in Kopenhagen gefasst haben - ein Beschluss, der das Leben der Europäer verändern wird: auf Dauer gesehen sicher zum Positiven. Aber eben nur auf Dauer. Kurzfristig wird vor allem die Osterweiterung zum Beispiel für die Deutschen durchaus Nachteile bringen. Auch wenn es zum gemeinsamen Haus Europa keine Alternative gibt - je näher man den Grenzen zu Tschechien und Polen kommt, desto sichtbarer werden die Sorgenfalten der bundesdeutschen Bürger."

Der MANNHEIMER MORGEN notiert:

"Schon das auf dem Gipfel zu verfolgende Gefeilsche um Agrar- und andere Milliarden warf ein deutliches Schlaglicht auf die Verteilungsschlachten, die es in Zukunft um die spärlicher fließenden Finanzen geben wird. Das kann gar nicht ausbleiben bei den gewaltigen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Unterschieden, die in der 'neuen' EU herrschen. Wo soll da noch die Zeit, Fantasie und Energie herkommen, damit in dieser Gemeinschaft endlich einmal wirklich darüber diskutiert wird, was eigentlich ihren inneren Zusammenhalt noch ausmacht und wo ihre Grenzen sind?"

... fragt der MANNHEIMER MORGEN. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU greift diesen Gedanken auf und schreibt:

"Die Formel, dass jeder europäische Staat, der die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen der EU erfüllt, einen Anspruch auf Mitgliedschaft hat, ist aus Gründen der Selbsterhaltung der Gemeinschaft nicht mehr haltbar. Schon heute stehen auf der künftigen Erweiterungsliste Bulgarien, Rumänien und die Türkei. Den Ländern des westlichen Balkans sind bereits Versprechungen in die gleiche Richtung gemacht worden. Man braucht nicht die Mentalität eines rechten Wahlkämpfers zu haben, um sich vorzustellen, dass dies die Geduld der EU-Völker überstrapazieren könnte."

Und speziell zur Abfuhr für die Türkei heißt es in der RHEINPFALZ aus Ludwigshafen:

"Zum Teil haben sich die Türken dieses für sie unbefriedigende Ergebnis selbst zuzuschreiben. Der verständliche Wunsch Ankaras nach Entgegenkommen der Europäer artete zuletzt in aggressives Drängen aus - und in Drohungen mit Sanktionen, sollte die EU den türkischen Wünschen nicht nachgeben. Dieses überzogene Verhalten bewirkte das deutliche 'So nicht' der Europäer. Die türkische Regierung steht, nachdem sie große Erwartungen geschürt hatte, vor allem innenpolitisch vor einem Scherbenhaufen."

Themenwechsel: Angesichts der Judenstern-Äußerung des hessischen Regierungschefs und der Weiterungen bemerkt die HEILBRONNER STIMME:

"Koch wie sein entrüsteter Haupt-Kritikern Gabriel vereint eine geschichtsvergessene Maßlosigkeit. Doch nicht nur sie sind zu rügen, sondern ebenso der eigentliche 'Auslöser': Verdi-Chef Bsirske hat im Fernsehen einzelne Bürger namentlich benannt, denen er eine Vermögensteuer auferlegen möchte. Kommen als nächstes Mahnwachen, die vor den Villen der vermeintlich Reichen postieren? Diese schleichende Stigmatisierung ist nicht mit dem Judenstern vergleichbar. Aber zu verharmlosen ist sie auch nicht."

Und das FREIE WORT aus Suhl fragt:

"Wer mag schon glauben, dass Kochs Nazi-Spruch wirklich ein Ausrutscher war? Koch ist ein äußerst kühl kalkulierender Mann; er steht im Wahlkampf. Beim letzten Mal hat ihm eine Ausländer-unfreundliche Kampagne die zum Sieg nötigen Stimmen aus dem rechten Lager verschafft. Koch kopiert seine Erfolgs-Strategie; was schmerzt ihn schon die halbherzige Entschuldigung, wenn die Wähler die Botschaft erhalten haben. Koch ist der Möllemann der CDU."