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Presseschau von Samstag, 23. November

zusammengestellt von Bernhard Schatz22. November 2002

NATO-Gipfel / CSU-Parteitag

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Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse befassen sich am Samstag noch einmal mit dem Prager NATO-Gipfel - und der Haltung der Bundesregierung im Falle eines Krieges gegen den Irak. Ein weiteres Thema ist der zweitägige CSU-Parteitag in München.

Zur NATO heisst es in den BADISCHEN NEUESTEN NACHRICHTEN aus Karlsruhe:

'In Prag bekamen die Deutschen zu spüren, dass die Nato-
Mitgliedstaaten keine unüberlegten Alleingänge honorieren und stattdessen Loyalität im Bündnis hoch schätzen. Deutschland hat dem Aufbau einer Nato-Eliteeinheit zugestimmt, die weltweit gegen Terroristen und mordende Potentaten kämpfen soll. Zählt Saddam Hussein nicht dazu? Die Orientierungslosigkeit der deutschen Außenpolitik ist unübersehbar.'

Die in Essen erscheinende NEUE RUHR/NEUE RHEIN-ZEITUNG glaubt:

'Staaten haben, allen betörenden Kommunique-Floskeln zum Trotz, keine Freunde, sondern allenfalls (wechselnde) Interessen. Darüber kann der Handschlag zwischen Schröder und Bush beim Nato-Gipfel in Prag nicht hinwegtäuschen. Das deutsch-amerikanische Verhältnis bleibt gestört und wird, solange dieser Kanzler und dieser Präsident im Amt sind, nicht wieder so werden wie es einmal war. Schröder ist
im Wahlkampf ein schwerer handwerklicher Schnitzer unterlaufen, den er hätte vermeiden müssen. Denn er hat Deutschland im Bündnis mit Amerika auf einen Sonderweg gebracht, der die Bundesrepublik in die Einflusslosigkeit verbannt hat.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUG in München kommentiert:

'Keine Frage, die neue NATO kann stark sein, weil die Supermächte an ihrer Spitze stark sind. Im Umkehrschluss aber gilt: Noch nie war so scharf zu beobachten, dass die Allianz ihre Bedeutung, ihr militärisches und ihr politisches Gewicht abhängig gemacht hat von der Zuwendung aus den USA. Zwar waren diese USA schon immer die dominierende Nation im Bündnis, schon immer ließ sich die Allianz nicht bewegen, wenn in Washington gebremst wurde. Aber in Prag wurde der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht: Ohne die USA ist die NATO nichts, nur mit ihr kann sie alles sein. Die NATO ist im Kern ein Bündnis für die USA, nicht nur eine Allianz mit den USA.'

In den AACHENER NACHRICHTEN lesen wir:

'Des Kanzlers Ankündigung, der deutsche Luftraum bleibe im Falle eines Angriffs auf den Irak für amerikanische Flugzeuge offen, ist kein Wortbruch. CSU-Chef Stoiber mag anderer Meinung sein. Fakt ist: Schröder schaffte es im Wahlkampf, allen Fragen nach den Überflugrechten konsequent auszuweichen. Allerdings steht sein Freundschaftsdienst an die Amerikaner juristisch auf tönernen Füßen.
Egal was im Nato-Truppenstatut an Rechten und Pflichten gegenüber befreundeten Streitkräften festgelegt ist, bindend für die Bundesregierung bleibt das Grundgesetz. Artikel 26 verbietet nach gängiger Interpretation jede Beihilfe zu einem Angriffskrieg, auch, wenn dieser als Präventivschlag bemäntelt wird.'

Ähnlich sieht es die Bielefelder NEUE WESTFÄLISCHE:

'Mitnichten ist es Wahlbetrug, was die Bundesregierung jetzt zum Thema deutsche Beteiligung an einem möglichen Krieg gegen den Irak sagt. Bisher jedenfalls nicht. Da mag der gescheiterte Unions-Kandidat Edmund Stoiber noch so zetern. Denn Bundeskanzler Gerhard Schröder hat im Wahlkampf nicht erklärt, dass den Amerikanern
Überflugrechte versagt und Truppenbewegungen in Deutschland verboten werden. Er hat gesagt, dass sich Deutschland im Irak nicht beteiligen wird. Ein großer Unterschied.'

Themenwechsel, und damit zum CSU-Parteitag.

Dazu DIE WELT:

'Der Verlierer des 22. September wirkt ausgesprochen gelöst,
während dem Sieger der Bundestagswahl von Freude am Regieren aktuell nun wirklich nichts anzumerken ist. Edmund Stoiber durfte sich auf dem CSU-Parteitag in München feiern lassen und vom Podium aus Rot-Grün des Wahlbetrugs zeihen. Zur gleichen Zeit musste Gerhard Schröder in Prag den Spagat üben, einerseits gegenüber Washington und
der internationalen Staatengemeinschaft gut Wetter zu machen, und andererseits dem Vorwurf zu entgehen, auch in der Außenpolitik sich nach der Wahl nicht mehr um das zu scheren, was er vor der Wahl versprach.'

Die PFORZHEIMER ZEITUNG kritisiert:

'Mit Politik hat Politik derzeit herzlich wenig zu tun. Die CSU
gibt ein Beispiel dafür. Zuerst «proletet» Generalsekretär Goppel über SPD-Wähler, die er mit Nazis vergleicht. Tags drauf, beim CSU-Parteitag, betreibt Edmund Stoiber per Wahlbetrugsvorwurf Immer-noch-Wahlkampf. Das ist Krampf! Wer regieren möchte, muss Perspektiven bieten und nicht ewig die Wunden einer verlorenen Wahl lecken.'

Zum Schluss die KÖLNISCHE RUNDSCHAU:

'Den bayerischen Christsozialen bleibt derzeit nur das Kritisieren. Das fällt den Delegierten nicht schwer, zumal die rot-grüne Bundesregierung angesichts des Durcheinanders in den letzten Wochen reichlich Vorlagen bietet. Die Frage aber, ob CSU-Chef Stoiber Kanzlerkandidat in Wartestand bleibt, ist beantwortet: Er ist es nicht.'