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Presseschau von Samstag, 6. September 2003

zusammengestellt von Ulrike Quast5. September 2003

Kandidaten-Karussel um Präsidentenamt

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Nachdem Bundespräsident Johannes Rau seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur um das höchste deutsche Staatsamt erklärt hat, ist neun Monate vor der Präsidentenwahl die öffentliche Diskussion um einen Nachfolge-Kandidaten voll entbrannt. Den Mittelpunkt in Leitartikeln und Kommentaren der Tagespresse macht der Nachfolgediskussion kein anderes politisches Thema streitig.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt:

"Es wäre so schön wie unwahrscheinlich, wenn die Kandidatenfindung diesmal vorrangig am gesellschaftlichen Bedarf ausgerichtet wäre. Und der ist dringender, als mancher in der Politik zu merken scheint. Charismatischer, jünger, weiblich, ruhig auch medientauglicher, das wäre gut. Von Johannes Rau aber wäre zu lernen, dass es die größte Mühe und zahllose Gespräche wert ist, zu vermitteln, dass die Mächtigen noch etwas wissen von dem Sinn, den ihre Macht haben soll: für sozialen Interessen-Ausgleich zu sorgen und zu diesem Zweck die Interessen von Einzelnen und Gruppen, gerade auch der weniger mächtigen, erst einmal wahrzunehmen."

Der EXPRESS aus Köln meint zum Kandidaten-Karussel:

"Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Immer neue Bewerber werden auf dem Polit-Jahrmarkt in die Umlaufbahn katapultiert. Wieder andere - wie z. B. der Kanzler - lassen uns nur wissen, dass jetzt mal eine Frau ran muss. Die Debatte hat bereits eine Dimension angenommen, die dem hohen Anspruch an das Amt des Präsidenten in keinster Weise mehr gerecht wird - ja, es sogar beschädigen könnte. Denn was auf den ersten Blick beliebig wirkt, wird bestimmt durch parteipolitisches Kalkül, Machtspielchen und die offene Frage, wie sich die FDP als Königsmacher entscheiden wird."

In der NEUE RUHR/NEUE RHEIN ZEITUNG aus Essen lesen wir:

"Es ist nicht entscheidend, ob der Bundespräsident eine Frau oder ein Mann ist. Fakt ist, es waren immer Männer. Es lag nicht daran, dass gute Frauen fehlten. Sie hatten nur keine Chance. Der wieder laut werdende Ruf nach einer Frau ist berechtigt. ... Mehr als auf die gute Absicht kommt es auf die gute Tat an. Jede Partei hat schon mal eine Frau aufgestellt. Man(n) kann sich nicht mit Nominierungen brüsten, sondern nur noch mit der ersten Präsidentin."

Die AUGSBURGER ALLGEMEINE kommentiert:

"Es kann, es muss keine Frau sein, so wenig wie es eine Kanzlerin geben 'muss'. Es kann, es muss auch niemand aus den jungen Ländern sein. Wir brauchen eine Persönlichkeit, die das Land jenseits des Parteiengezänks zusammenhalten, richtungweisende Anstöße geben kann und noch über die dazu notwendige Energie verfügt."

Ein Blick in die Tageszeitung DIE WELT:

"Mit der Bekanntgabe seines Verzichts auf eine erneute Kandidatur hat Johannes Rau einen honorigen Schlusspunkt hinter seine Amtszeit gesetzt. Aber er hat seiner Partei damit zugleich noch einmal einen Dienst erwiesen. Denn die Debatte um den Nachfolger beginnt just zwei Wochen vor der bayerischen Landtagswahl, und die neue K-Frage soll vor allem die Union in Bedrängnis bringen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kommentiert folgendermaßen:

"Es ist gut, dass Johannes Rau seine unumgängliche Entscheidung, keine zweite Amtszeit mehr anzustreben, nun endlich öffentlich gemacht hat. In seiner warmherzig und souverän vorgetragenen Verzichtserklärung sagte Rau, es sei 'natürlich', dass Machtgesichtspunkte bei der Bestimmung seines Nachfolgers eine Rolle spielten. Allerdings sei es 'illegitim, wenn nur Machtgesichtspunkte eine Rolle spielen'. Leider aber wird die Debatte über den nächsten Bundespräsidenten in der Union fast ausschließlich und in der FDP zu großen Teilen im Hinblick auf den Machtgewinn geführt."

Abschließend die KÖLNISCHE RUNDSCHAU, die sich mit den Gedankenspielen um eine mögliche Direktwahl befasst:

"Man stelle sich vor: Direkt vom Souverän wird ein Kandidat gewählt, der sich mit einem guten Wahlergebnis im Rücken permanent in die Tagespolitik einmischt. Das würde vielleicht die Wähler befriedigen, aber einen schweren Verfassungskonflikt mit dem Regierungschef provozieren. Schließlich hat der Präsident vor allem repräsentative Funktion. Umgekehrt würde es den Wähler frustrieren, wenn ein direkt gewählter Präsident den Geist der Verfassung ernst nähme und sich vornehm zurück hielte."