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Pressestimmen vom Montag, 03. November 2003

Martin Muno2. November 2003

Tote US-Soldaten im Irak / Demo gegen Sozialreformen

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Das Sterben der US-Soldaten im Irak geht weiter und in Berlin demonstrieren hunderttausend Menschen gegen den Reformkurs der Regierung. Das sind die beiden Hauptthemen in den Kommentarspalten der deutschen Tageszeitungen.

Zur Lage im Irak schreibt die MÄRKISCHE ODER-ZEITUNG:

"Je tiefer der Irak-Sumpf wird, desto mehr wächst die Ratlosigkeit in Washington. Präsident Bush muss bereits um seine Wiederwahl im kommenden Jahr bangen. Der einst so selbstbewusste Verteidigungsminister Rumsfeld räumte intern ein, dass sich die Dinge nicht zum Positiven entwickeln. Nur mühsam wird nach außen die Fassung gewahrt."

In der FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND heißt es:

"Der Tod von mindestens 15 Soldaten nach dem Abschuss eines Militärhubschraubers am Sonntag reiht sich ein in die Horrornachrichten der vergangenen Wochen. Die Zustimmung zu Bushs Politik ist in den USA inzwischen auf 56 Prozent gesunken. Für die Vereinigten Staaten ist es an der Zeit, Fehler einzugestehen. Sie würden damit nicht nur ein Signal an die irakische Bevölkerung senden, sondern auch an das eigene Volk - dass die Regierung in der Lage ist zu lernen."

Das sieht die in Koblenz herausgegebene RHEIN-ZEITUNG ähnlich:

"Mit dem Abschuss des Chinook-Hubschraubers westlich von Bagdad könnte endgültig jene rote Linie überschritten sein, die die Amerikaner gegen die Politik der Bush-Regierung aufbringt. Alle Zeitungen des Landes werden in dicken Lettern davon künden, dass die Boden-Luft-Raketen nicht allein einen mit Soldaten besetzten Helikopter, sondern auch alle hochfliegenden Irak-Träume vom Himmel geholt haben. Erinnerungen an Vietnam und Somalia werden wach, an militärische und politische Abenteuer Amerikas, die ihnen am Ende nichts als Tote eingebracht haben."

Der WIESBADENER KURIER bemerkt:

"Washington braucht sowohl den militärischen Erfolg als auch die politische Lösung schnell - im ureigenen Interesse, aber auch im Blick auf die Stabilität der Region. Sonst droht der Dschungel von Vietnam, diesmal im Häusermeer der irakischen Städte."

Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG warnt vor Schadenfreude:

"Ob die Gefahr, die von Saddam Hussein ausging, das Eingreifen Amerikas erzwang, darüber wird noch lange gestritten werden können. Einigkeit besteht aber, dass ein überstürzter Abzug der Amerikaner den Irak ins Chaos stürzen und die ohnehin labile Golfregion ins Wanken bringen würde. Daher muss es auch das Interesse der Kriegsgegner sein, Amerikas schwierige Mission im Irak zu erleichtern."

Themenwechsel: Mit Blick auf die Massendemonstration gegen die von der Bundesregierung geplanten Sozialreformen meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Es geht um die Glaubwürdigkeit der Spar- und Reformpolitik. Der SPD laufen Wähler und Mitglieder nicht davon, weil sie Reformen anpackt, sondern, weil die Leute das Gefühl haben, dass sie dabei einseitig zupackt. Als Kanzler Schröder im März die Agenda 2010 vorstellte, versuchte er zumindest noch einer verbale Balance, machte er Andeutungen über Belastungen auch für die Starken, klagte er über die astronomischen Gehälter und Abfindungen von Managern. Geschehen ist nichts."

Die BERLINER ZEITUNG fragt, warum so viele Menschen das Reform-Vorhaben der Regierung ablehnen und folgert:

"Ganz einfach: Weil es nicht gerecht ist. Die Regierung hat mit ihren Maßnahmen in der Öffentlichkeit das Bild einer sozialen Schieflage entstehen lassen. Sie verhält sich wie ein Buchhalter. Sie rechnet und streicht dort, wo es viel bringt. Und das ist immer bei den unteren und mittleren Einkommensbeziehern, bei den Rentnern, den Sozialhilfeempfängern."

Und die WELT bemerkt:

"Wöchentlich jagt eine Sozialkürzungs- und wirtschaftliche Katastrophenmeldung die nächste. Niemand weiß mehr, wie tief die Sozialstandards noch absacken. Das Prinzip Toyota schreckt immer breitere Kreise: Nichts ist unmöglich. Binnen Jahresfrist hat Schröder aber auch jedes seiner Wahlversprechen kassiert. Jetzt riskiert er sogar in den Augen seiner Anhänger letzte sozialdemokratische Substanz: den Glauben, dass die SPD für Grundlinien des Sozialstaats steht, weil ihr derselbe förmlich unter den Fingern zerrinnt."