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Pressestimmen von Dienstag, 03. August 2004

Frank Gerstenberg2. August 2004

Debatte um Entschädigungsansprüche für Vertriebene / Debatte um Studiengebühren.

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Zwei neue alte Debatten beschäftigen die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen: Der Disput um die Entschädigungsansprüche der Vertriebenen sowie die Diskussion über die Studiengebühren. Im Mittelpunkt der Entschädigungs-Diskussion steht die Kritik der Vertriebenen-Vorsitzenden Erika Steinbach an Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Der MANNHEIMER MORGEN äußert sich moderat:

"Von wem soll die viel beschworene Gefahr eines Umdeutens der gemeinsamen Geschichte ausgehen? Die polnischen Vorwürfe können also nur auf die Vertriebenenverbände zielen. Doch diese als ewiggestrige Revanchisten zu dämonisieren, überzeugt heute nicht mehr."

Für die NÜRNBERGER NACHRICHTEN wird die Vertriebenen-Vorsitzende Steinbach nicht von hehren Motiven geleitet:

"Es geht nur um Geld. Und es scheint den Akteuren ziemlich egal zu sein, woher das kommt. Die Bundesregierung, schlug Steinbach vor, könne doch am besten gleich selber die Entschädigungen übernehmen. Die Attacke gilt also nicht unbedingt Warschau, sondern letztlich uns Steuerzahlern. Und mit seiner Absage an derlei Gier handelte der Kanzler auch als Sachverwalter der Bürgerinteressen."

Auch die FRANKFURTER NEUE PRESSE stellt sich gegen Steinbach:

"Es dürfte schon schwer genug sein, die Mehrheit der Deutschen von der Notwendigkeit eines Zentrums gegen Vertreibungen zu überzeugen. Doch hinter Entschädigungsforderungen an Polen oder den deutschen Staat dürften kaum mehr als 10 Prozent der Bundesbürger stehen. Auch eine Lobby-Organisation sollte sich innerhalb der Grenzen der Vernunft bewegen."

In der FRANKFURTER ALLGMEINEN ZEITUNG heißt es hingegen:

"Auf geradezu schäbige Weise hat sich Bundeskanzler Schröder in Warschau aus seiner Verantwortung gestohlen: durch moralische Verurteilung derer, die den eigenen Staat beim Wort nehmen. Als ob sich ein Bundeskanzler von der Rechtslage seines Landes distanzieren könnte. Auch der hiesigen Öffentlichkeit ist all zu lange entgangen, dass da im Untergrund noch eine juristische Fliegerbombe steckt, die dringend geborgen werden sollte. Mit Sympathie- und Demutsgesten ist sie nicht aus der Welt zu schaffen - nur mit der Anpassung des Rechts an das, was politisch gewollt ist. Anders ist Rechtsfrieden nicht zu haben."

Klare Position für den Bundeskanzler bezieht wiederum die LANDESZEITUNG aus Lüneburg:

"Was dem Kanzler als Reformer im innenpolitischen Dschungel oft genug misslingt, das gelingt ihm umso besser als Staatsmann auf außenpolitischem Parkett: Gerhard Schröder hat in Warschau mit einem würdigen Auftritt ein Signal gesetzt. Der unbefangenere Umgang der ersten deutschen Nachkriegs-Politikergeneration mündet nicht in einen unbedarften Versuch, die Geschichte umzuschreiben. In Polen und Tschechien weiß man jetzt sicher, dass der Bund der Vertriebenen in Deutschland eine Minderheitenposition vertritt. Schröders Nein gegenüber den Vertriebenen war ebenso richtig und notwendig wie Kohls Nein zur einer Änderung der deutschen Ostgrenze."

Die Debatte über Studiengebühren an Deutschlands Hochschulen verläuft wie gehabt kontrovers.

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER befürchtet, dass die Gebühren anderen Zwecken als einer besseren Lehr- und Forschungssituation dienen könnten:

"Der Staat muss garantieren können, dass die Studiengebühren zweckgebunden eingesetzt werden, also in voller Höhe an die Universitäten fließen. Hier geht es tatsächlich um Gerechtigkeit: Dienen die Beiträge nämlich in vielfach bewährter - und daher mit einiger Berechtigung befürchteter - Manier lediglich als Solidaritätszuschlag zur Stopfung der Landeshaushalte, lässt man ehrlicherweise besser alles, wie es ist. Wird eine Studiengebühr aber dazu genutzt, die Studienbedingungen entscheidend zu verbessern, käme es gar zu einem echten Wettbewerb zwischen den Hochschulen - dann könnten beide gewinnen, Studenten wie Universitäten."

Für die LÜBECKER NACHRICHTEN ist jegliche Ideologie in dieser Frage fehl am Platze:

"Der SPD gilt das Gratisstudium als soziale Errungenschaft. Union und FDP wollten Kinder aus unteren Schichten vom Studium abschrecken, Bildung solle wieder eine Frage des Geldes werden, zetern die Genossen. Das ist Unfug. So wie es für Kinder aus weniger bemitteltem Elternhaus Bafög gibt, könnten ihnen auch die Gebühren vorgestreckt oder erstattet werden. Sie sind ein wirksamer Hebel, um frischen Wind in die Hochschulen zu bringen. Wer zahlt, wird auf Gegenleistung pochen. Studierende werden zu Kunden, um die man sich gefälligst zu kümmern hat."