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Pressestimmen von Dienstag, 07. Oktober 2003

Marko Langer7. Oktober 2003

Reformdebatte in CDU und SPD / Frankfurter Buchmesse

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Der partei-interne Streit um die Reformen in Deutschland beschäftigt ja inzwischen SPD und CDU gleichermaßen. Ein Thema, das weiterhin auch die meisten Kommentatoren umtreibt. Zur Debatte in der Union meint die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Roman Herzog hatte damals, als er noch Bundespräsident war, den Ruck gefordert, der durch Deutschland gehen muss. Heute weiß man, wie er das meinte. Er meinte einen Riss: Das Herzog-Papier zerreißt das Solidarprinzip, den Ausgleich zwischen Arm und Reich also. Und – es zerreißt die Union. Die CSU wird eine Politik nicht mitmachen, bei der die Krankenversicherung vom Chef und von seinem Hausmeister den gleichen Betrag, 'Kopfgeld' genannt, kassiert. Edmund Stoiber hält das für ungerecht, und da hat er Recht."

Der WIESBADENER KURIER fürchtet:

"Im schlimmsten Fall könnte die Debatte zum Glaubenskrieg eskalieren, wenn die Identität der Union als soziale Volkspartei in Frage gestellt wird, wie nicht nur die Befürchtungen eines Norbert Blüm, sondern auch die forschen Sprüche eines Friedrich Merz vermuten lassen. Es liegt jetzt an CSU-Chef Stoiber, jene Schärfe aus dem innerparteilichen Disput wieder herauszunehmen, die seine Kollegin Merkel hineingebracht hat."

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG schreibt über die Parteichefin:

"Bislang hat Angela Merkel der Männerriege und deren persönlichen Eitelkeiten unbeschadet getrotzt. Indem sie die Frage nach ihren Führungsqualitäten schlichtweg ignorierte. Das geht nun nicht mehr.Denn sie will jetzt die Union zur antreibenden Reformpartei machen. Sollte Merkel allerdings dieses erste Meisterstück auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur 2006 in den nächsten Wochen nicht gelingen, dürfte dies ihr persönlicher Supergau werden."

Was nun die SPD und ihre sogenannten Abweichler angeht, bemerkt die Tageszeitung DIE WELT:

"Es ist ein beschämendes Schauspiel im Gange. Ein gutes halbes Dutzend SPD-Abgeordnete nimmt den Rest seiner 250-Mann-Fraktion als Geiseln, und die Regierung zahlt den Preis. Die dünne Kanzlermehrheit gibt den Reformgegnern einen Hebel in die Hand, den sie zum Schaden aller missbrauchen. Und das Missverhältnis zwischen kleiner Zahl und großer Macht der Bremser tritt noch greller hervor, seitdem sich in CDU (und FDP sowieso) ebenfalls neuer Reformelan die Bahn bricht."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth fragt:

"Können Sie es auch bald nicht mehr hören? Kein Tag vergeht, an dem in Berlin nicht neue Reformvorschläge für Steuern oder Sozialsysteme aufs Tablett gebracht werden. Die Bürger haben auf die Berliner Verwirrspiele längst reagiert: mit Vorsicht, Zurückhaltung, Konsumverzicht. Während die Politik gerade dabei ist, die unzweifelhaften ökonomischen Vorteile der Steuerreform zu zerreden, noch bevor diese zu greifen beginnt, füttern die Menschen ihre Sparschweine anstatt ihr Geld in die Geschäfte zu tragen."

Themenwechsel. In Frankfurt hat die internationale Buchmesse begonnen, Schwerpunkt ist diesmal die russische Literatur. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU merkt kritisch an:

"Russland will sich im Licht der jungen Demokratie zeigen. Totalitarismus und Gulag werden nicht diskutiert, obwohl wichtige Neuerscheinungen in diesem insgesamt sehr reichen Bücherherbst dazu einladen. Dass eine demokratische Kultur sich gerade in der Auseinandersetzung mit den Verbrechen der eigenen Vergangenheit erproben kann, diese Erkenntnis und Erfahrung steht dem bisher größten Gastland der Frankfurter Buchmesse noch bevor."

Doch nicht nur die russische Messebeteiligung verdient eine kritische Würdigung. Über deutsche Bestseller heißt es in der FULDAER ZEITUNG:

"Karl Kraus hat gewusst, was Deutschland in diesem Herbst einmal mehr beweist. 'Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten', hat der Publizist und Schriftsteller gesagt. Und wenn man sich den Rummel um Herrn Bohlen und seine Auswürfe ansieht, dann bleibt einem nichts anderes übrig als dem zuzustimmen. Überhaupt: Bohlen, Naddel, Effenberg, Küblböck ... Der Literaturbetrieb unseres Landes, der sich ab heute in Frankfurt wieder in voller Breite präsentiert, scheint zu einem Staat der ästhetischen Winzlinge mutiert zu sein."