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Pressestimmen von Dienstag, 09. April 2002

zusammengestellt von Walter Lausch. 8. April 2002

Kirchmedia stellt Insolvenzantrag/ Scharon fordert Nahost-Gipfel/ Chinesischer Präsident besucht Deutschland

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Der Insolvenzantrag von Kirchmedia beim Amtsgericht in München steht im Mittelpunkt dieser Presseschau. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München macht sich aus diesem Anlass Gedanken über den Zustand der so genannten Deutschland AG:

"Der Fall Kirch böte, ähnlich wie die Holzmann-Pleite, genügend Stoff, um grundsätzlich über die Zukunft der Deutschland AG nachzudenken, über jene heimliche und manchmal auch unheimliche Nähe von Aufsichtsräten, Bankvorständen und Politikern, die heutzutage alle für überholt halten, die aber dennoch unverändert Realität ist. Dazu passt auch der Fall der Berliner Bankgesellschaft, jenes merkwürdigen Gebildes, halb Bank, halb Versorgungsanstalt, das seit Monaten am Rande der Insolvenz steht. Dort müssen jetzt die Steuerzahler für all die Milliarden gerade stehen, die unverantwortliche Politiker und Banker gemeinsam zum Fenster hinaus geworfen haben - die Deutschland AG als Groteske."

Die WETZLARER NEUE ZEITUNG beschäftigt sich mit möglichen politischen Folgen:

"Kirchs Aufstieg und jäher Fall erinnert sehr an den seines Freundes Helmut Kohl. Beide übten ihre Macht nach dem Motto aus: 'Man kennt sich, man hilft sich.' Vielleicht ist so auch die Leichtfertigkeit der Banken zu erklären, die Kirch immer weiter mit Krediten versorgten, während sie manchen Mittelständler mit seriöseren Geschäftsmodellen eiskalt abblitzen lassen. In dem Zusammenhang wird CDU/CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber in den nächsten Wochen unangenehme Fragen beantworten müssen. Die halbstaatliche Bayerische Landesbank war mit rund zwei Milliarden Euro der größte Kreditgeber Kirchs. Und in den Aufsichtsgremien der Bank saß das halbe Kabinett Edmund Stoibers."

Die Hofer FRANKENPOST befürchtet negative Rückwirkungen der Insolvenz auf das Programm:

"Dass Engagement auch Verantwortung bedeutet, dass es zu Aufmerksamkeit, Sorgfalt und genauer Prüfung verpflichtet, bei Kirch vergaßen es Banken wie die Strippenzieher in der Politik - die dafür sogleich in einen skurrilen Wahlkampf-Wettlauf um die Schuldverteilung eintraten. Sicher allerdings scheint, dass die Einflussmöglichkeiten der Politik auf die Zukunft der Kirchgruppe geschwunden sind. Nun haben die Geldleute allein das Heft des Handelns in der Hand. Denen zählen die Besonderheiten der Medienbranche mutmaßlich wenig; es bedarf wenig Phantasie, eine noch hemmungslosere Kommerzialisierung des Fernsehens vorherzusagen. Die hat Kirch zwar wie kaum ein anderer vorangetrieben, doch war man stets geneigt, dem alten Patriarchen wenigstens Reste von Qualitätsbewusstsein zu attestieren."


Das NEUE DEUTSCHLAND in Berlin nimmt das Schreiben von Leo Kirch an die Mitarbeiter seines Konzerns näher unter die Lupe:

" Gipfel des Zynismus ist ein Zirkularschreiben von Leo Kirch, in dem er sich von seinen lieben Mitarbeitern verabschiedete. Es sei ihm nicht darum gegangen, ein mächtiges, sondern - für Auge und Ohr - ein vertikal integriertes Medienunternehmen zu schaffen. Jetzt sei ihm die Führung aus der Hand genommen worden. Da kommen einem die Tränen. Leo, nun arm wie eine Kirchenmaus."

Ein weiteres Thema der Kommentatoren ist der Nahe Osten. Die DRESDNER NEUE NACHRICHTEN halten wenig von einem israelisch- arabischen Gipfel, der vom israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon vorgeschlagen wurde:

"Ohne Rahmenbedingungen, deren Schaffung weit über die Möglichkeiten beider Konfliktseiten hinausgehen, ist inzwischen kein Frieden mehr zu machen. Aber hat Bush überhaupt den Willen zu einem amerikanischen Engagement? Dass der Präsident Außenminister Powell in die Region schickt, ist ein Hoffnungszeichen. Dass Bush sich so viel Zeit gelassen hat, mindert allerdings die Erfolgsaussichten Powells. Scharon jedenfalls interpretiert Bush auf seine altbekannte Weise: Fakten schaffen, so lange man ihm Zeit lässt. Die Offerte einer Friedenskonferenz ist da nicht mehr als ein taktisches Zugeständnis an den wachsenden Druck aus Washington."

Zum Schluss noch eine Stimme zum Besuch des chinesischen Präsidenten Jiang Zemin in Deutschland. Für die FRANFURTER RUNDSCHAU ist dies ein Grund, sich mit der sozialen Lage in China zu beschäftigen und dem Land dramatische Konsequenzen vorauszusagen:

'Die Partei beharrt auf dem Prinzip Deng Xiaopings, zuerst könnten nur wenige reich werden. Die Neureichen strömen ihr auch zu, der neue Mittelstand drängt die Partei weiter weg von der armen Mehrheit und führt sie in eine Sackgasse. Aus der führt wohl nur eine Revolution."