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Pressestimmen von Dienstag, 1. März 2005

Gerhard M. Friese28. Februar 2005

Gewalt im Irak / Arbeitslosigkeit in Deutschland/ Fischer

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Der neue schwere Selbstmordanschlag im Irak, die wiederum gestiegenen Zahl der Arbeitslosen in Deutschland und der Umgang von Außenminister Joschka Fischer mit der Visa-Affäre beherrschen an diesem Dienstag die Kommentarseiten deutscher Tageszeitungen.

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER bemerkt zu dem erneuten Anschlag im Irak:

"Die Ziele der Terroristen sind eindeutig: Der Aufbau nationaler Sicherheitskräfte als Voraussetzung einer Verminderung der Besatzungspräsenz soll gestört, die Hoffnungen der schiitischen Mehrheit, den neuen Staat nach ihren Vorstellungen zu gestalten, sollen entmutigt, kooperationsbereite Sunnitenführer gewarnt werden. Ohne jede Rücksicht auf zivile Opfer, auf Frauen und Kinder. Auch die durchaus beachtliche deutsche Stabilisierungshilfe für den Irak ist durch die Anschläge betroffen. So kann noch Zeit vergehen, ehe die Bedingungen für die von Kanzler Gerhard Schröder angekündigten, noch wesentlich gesteigerten Beiträge erfüllt sein werden."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam sieht im Irak ein Beispiel für die Probleme einer Demokratisierung der Region:

"Zur Befriedung des Landes hat der erste freie Urnengang seit Jahrzehnten bisher kaum beigetragen. Dies liegt vor allem daran, dass die Mehrheitsverhältnisse entlang der Religionsgruppen und der ethnischen Zugehörigkeit abgebildet wurden... Im Irak bedeutet das, die schiitische Mehrheit hat ihre dominante Stellung gegenüber den unter Saddam herrschenden Sunniten legitimiert und festgeschrieben. Es wird nun alles davon abhängen, ob es gelingt, Sunniten und Kurden in ein gemeinsames Regierungsboot zu bringen."

Die in Würzburg erscheinende Zeitung DIE TAGESPOST meint:

"Es gilt als sicher, dass die schier unglaubliche Gewalt gegen die eigene Bevölkerung von Sunniten verübt wird. Von den alten Folterknechten des Saddam-Regimes, den Todesschwadronen aus Militär und Geheimdienst, die Job und Privilegien verloren haben und in einem demokratischen Staat keine Verwendung mehr finden werden.... Zwar leiden auch die nicht-sunnitischen Iraker unter Arbeitslosigkeit, schlechter Versorgung und den Folgen der Besatzung. Doch viel mehr noch leiden sie unter der Gewalt... Deshalb wird der Ruf nach klarer Distanzierung immer lauter: Die Sunniten sollen sich für einen gewaltlosen und demokratischen Irak, gegen den Terror und gegen die Unterstützung der Aufständischen entscheiden."

Mit den Arbeitslosenzahlen befasst sich die Heidelberger RHEIN-NECKAR-ZEITUNG:

"Den Kanzler erreicht die neue Hiobsbotschaft vom Arbeitsmarkt heute auf seiner arabischen Einkaufstour. Soll sich Wirtschaftsminister Clement zuhause mit der noch einmal gesteigerten Horror-Zahl von 5,2 Millionen Arbeitslosen herumschlagen. Schröder kann, auch wenn die Abschlüsse in Riad kaum die Spesen decken immerhin signalisieren: Wir tun was. Das ist sicher richtig und für den Export wichtig. Doch in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel keimt Panik. Denn inzwischen hat sich auch an der Basis herumgesprochen: Hartz IV ist nur eine kostendämpfende sozialpolitische Umverteilungsmaschine, aber kein Job-Motor. Angesichts der vom Kanzler verordneten Reformpause könnte die Stimmung bis Mai also durchaus noch kippen. Zumal auch die Grünen mit der Visa-Affäre am Bein in den Wahlkampf humpeln."

Die WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN aus Münster warnen die Bundesregierung vor einem Spiel auf Zeit:

"Genau diese Zeit ist es aber, die den Koalitionären davonrennt. Wenn heute die Arbeitsmarktzahlen für Februar vorgelegt werden, gibt es erneut eine Hiobsbotschaft zu vermelden: mehr als 5,2 Millionen Menschen ohne Job. Solch traurige Rekordzahlen dürften der SPD bereits das Wahlergebnis in Kiel verhagelt haben. Wen wunderts, dass nun so manchem Genossen in Nordrhein-Westfalen, Clement eingeschlossen mit Blick auf die Landtagswahl am 22. Mai das Hemd flattert."

Die Bremerhavener NORDSEE-ZEITUNG mahnt in der Visa-Affäre Außenminister Joschka Fischer zur Gradlinigkeit:

"Der Untersuchungsausschuss wird zwar Druck auf Fischer ausüben, ihn aber nicht entlassen können. Letzten Endes ist der Außenminister also selbst gefordert, über sich und sein Verhalten zu urteilen. Dabei ist ihm Distanz zu sich selbst zu wünschen - eine Distanz, die es ihm ermöglicht, den Vorgang sachlich zu werten, auch vor dem Hintergrund moralischer Maßstäbe wie persönliche Integrität und Glaubwürdigkeit, die die Bündnisgrünen zu Oppositionszeiten so gern von anderen Politikern eingefordert haben."