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Pressestimmen von Dienstag, 11. März 2008

Walter Lausch10. März 2008

Beck ist back

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SPD-Chef Kurt Beck ist zurück auf der Berliner Politikbühne. Doch die Presserezensionen fallen nicht gerade überschwänglich aus. Für die STUTTGARTER ZEITUNG sind Beck und seine hessische Genossin Ypsilanti schon erledigt:

"Kurt Beck und mit ihm Andrea Ypsilanti haben ihre Glaubwürdigkeit persönlich verspielt. Zwar haben sich die SPD-Granden noch einmal in Treue fest um ihren Parteichef geschart, politisch genesen ist er deshalb keineswegs. Zu viele Genossen haben seine taktischen Winkelzüge verprellt; zumal die Ministerriege in der großen Koalition ist ein ums andere Mal von ihm auf offener Bühne düpiert worden. Ist das Führung? Was ist der Kurs? Wohin geht die Richtung? Diese Fragen sind am Montag nicht beantwortet worden - nicht von Kurt Beck und nicht von seinen Mitstreitern in der Parteispitze. Zurück bleibt eine zutiefst verunsicherte, zerstrittene Partei, die gleichwohl in der Verantwortung steht und darum auch täglich zum praktischen Handeln gezwungen ist."

Für den NORDBAYERISCHEN KURIER aus Bayreuth hat Beck eine Chance verpasst:

"Auch ein Parteivorsitzender kann mal einen Fehler machen, sollte ihn dann aber eingestehen und nicht drumherumeiern. Beck hat eine Chance zur Wiedergutmachung verpasst. Und vielleicht auch die Chance auf die Kanzlerkandidatur im nächsten Jahr. Denn wer soll Becks Versprechen noch glauben, sich im Falle einer rot-rot-grünen Bundestagsmehrheit, wie es sie jetzt schon gibt, nicht doch noch mit den Stimmen der Linken zum Kanzler wählen zu lassen? Sein Bekenntnis zum Bündnis mit der Union klingt halbherzig. Das Vertrauen, das Kurt Beck durch seinen Linksschwenk verspielt hat, wird er, wenn überhaupt, nur ganz langsam wieder aufbauen können."

Aus Sicht der FRANKFURTER RUNDSCHAU sitzt Beck trotz der Querelen der letzten Wochen fest im Sattel:

"Kann Kurt Beck die Partei weiterhin führen? Er will. Und er wird. Denn er muss. Eine personelle Alternative gibt es nicht, die Alternativen sind längst verbraucht. Steinmeier und Steinbrück, den internen Widersachern, fehlt der Mut - und die Mehrheit. Beck genießt, trotz der jüngsten Fehler, die größte Zustimmung an der Parteibasis, genauer: an der Parteitagsbasis. Diese Basis hat sich unter seiner tätigen Mithilfe von den Reformen der Ära Schröder verabschiedet, diese Basis will prinzipiell die Öffnung nach links. Sie wird dem Vorsitzenden, wenn er denn will, auch die Kanzlerkandidatur auf dem silbernen Tablett servieren, egal ob der Rhein-Pfälzer eine Chance gegen Angela Merkel hat oder nicht."

Dagegen ist nach Ansicht des TRIERISCHEN VOLKSFREUND die Kanzlerkandidatur noch lange nicht sicher:

"Es ist nicht endgültig ausgemacht, welche Wahrnehmung des sozialdemokratischen Spitzenmannes in einem halben Jahr vorherrschen wird, wenn die Entscheidung über die Kanzlerkandidatur ansteht. Beck agiert bis dahin auf Bewährung. Sein Plus: Er hat durchaus, wie sich gestern bei seinem Presseauftritt zeigte, jene Dickfelligkeit, die schon einmal einen Pfälzer, Helmut Kohl, auszeichnete. Sein Nachteil: Er ist nicht mehr alternativlos."

Der Berliner TAGESSPIEGEL greift die geplante Funktionärskonferenz auf:

"Eine Funktionärskonferenz soll nun am 31. Mai beraten, wie es weiter geht mit der Linken und der SPD. Das ist zunächst einmal ein vermutlich rettender Zeitgewinn für den Vorsitzenden, der in den 14 Tagen der Krankheit schon allein deshalb keinen neuen Fehler machen konnte, weil die Grippe ihn zu schweigen zwang."

Zum Schluss die Einschätzung der LANDESZEITUNG LÜNEBURG:

"Ist es ein Verbrechen, Wahlkampfversprechen zu brechen? Kaum, sonst müsste die gesamte politische Kaste angesichts häufigerer Patt-Wahlergebnisse kriminalisiert werden. Ist es ein Verbrechen, in einem entstehenden Fünf-Parteien-System neue Optionen auszuloten? Nein, es ist eine Notwendigkeit - aber nur zum richtigen Zeitpunkt. Jetzt war der hessische Flirt der SPD mit der Linken schlimmer als ein Verbrechen, es war ein Fehler. Beim hessischen Roulette wartet kein Jackpot auf Kurt Beck. Der höchste Gewinn wäre das politische Überleben. Doch noch rotiert die Revolvertrommel."