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Pressestimmen von Dienstag, 12. Dezember 2006

Ursula Kissel 11. Dezember 2006

Höhere Pensionszahlungen für Welteke / Tod des chilenischen Ex-Diktators Pinochet

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Das Gerichtsurteil über höhere Rentenzahlungen für den früheren Bundesbank-Präsident Ernst Welteke und der Tod von Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet sind zwei Themen, denen sich die Kommentatoren der deutschen Tagespresse angenommen haben. Zunächst zum Gerichtsurteil: Welteke erstritt zweieinhalb Jahre nach seinem Rücktritt wegen der so genannten Adlon-Affäre vor Gericht eine höhere Rentenzahlung von seinem früheren Arbeitgeber. Damit erzielte er einen Teilerfolg.

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN schreiben:

"Wieder macht ein Rentnerschicksal Schlagzeilen in Deutschland. Er müsse sich sehr einschränken, sagt der Kläger. Ein Luxusleben sei mit seiner Pension jedenfalls nicht drin. Ihm blieben nur 8.000 Euro im Monat, jammert Ernst Welteke. (...) Um seinen Lebensstandard auf Dauer halten zu können, kämpfte der Sozialdemokrat jetzt vor Gericht um höhere Altersbezüge. Das ist dem Ex-Bundesbank-Chef erfolgreich gelungen - auch wenn er nur einen Teil dessen bekommt, was er wollte. Aber immerhin: Künftig gibt es rund 20 Prozent des ursprünglichen Monatsgehalts mehr. (...) Weltekes Klage - ein Präzedenzfall für alle Rentner und Hartz-IV-Empfänger?"

Mit Ironie kommentiert der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth das Urteil:

"Ernst Welteke darf nun auf Staatskosten ein bisschen in Luxus schwelgen, so er dies will. Sicher hat der vorausschauende Spitzenbanker auch noch reichlich Privatvorsorge betrieben, die das eine oder andere Extra nicht zum finanziellen Kraftakt werden lässt. Wie wäre es zum Beispiel mit einem längeren Aufenthalt im Adlon, dem Berliner Hotel, das Welteke wegen Gratisübernachtungen zwar den Job, nicht aber die Luxuspension gekostet hat."

Das in Düsseldorf erscheinende HANDELSBLATT glaubt:

"Welteke hat sich im Umgang mit der Öffentlichkeit sicher ungeschickt verhalten, als die Übernachtung seiner Familie in einem Luxushotel auf Kosten der Dresdner Bank ans Tageslicht gezerrt wurde. (...) Doch seine einstige Ungeschicklichkeit ändert nichts daran, dass eine Pension in Höhe von einem Drittel der letzten Bezüge nicht gerade üppig ist."

Dagegen ist das OFFENBURGER TAGEBLATT der Meinung:

"Augenmaß ist eine Tugend, die der frühere Bundesbankpräsident Ernst Welteke nicht sein eigen nennen kann. Im Gegenteil: Welteke ist ein maßloser Gierhals. (...) Das Urteil mag zwar juristisch in Ordnung gehen, politisch ist allerdings ein großer Schaden entstanden. Bei den Bürgern wird der Eindruck verstärkt, dass sich die Großen aus Politik und Wirtschaft die Taschen vollstopfen und die Kleinen das Ganze bezahlen müssen."

Die SCHWERINER VOLKSZEITUNG äußert Zustimmung zum Urteil, warnt aber vor den Auswirkungen:

"Was Recht ist, muss Recht bleiben. Das gilt trotz aller Verfehlungen natürlich auch für den Ex-Bundesbank-Chef Ernst Welteke. (...) Trotz juristischen Teilerfolgs wird man einmal mehr am Stammtisch davon reden, dass der kleine Mann gegen unanständige Gierhälse keine Chance hat. Welteke hat den Anständigen noch einmal einen Bärendienst erwiesen."

Themenwechsel. Der Tod des früheren chilenischen Militärdiktators hat in der Bevölkerung ein geteiltes Echo gefunden. Seine Anhänger trauern, seine Gegner feierten das Ableben des Ex-Machthabers. - Der Tod Pinochets ist auch Thema der Kommentare in den deutschen Tageszeitungen:

Die TAGESPOST aus Würzburg stellt fest:

"Nun ist er gestorben, ohne sich vor der Justiz zu verantworten - das hinterlässt bei vielen Opfern ein bitteres Gefühl. Dennoch bietet sein Tod die Chance zu einer offeneren Diskussion über die Vergangenheit. Die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet, seit März dieses Jahres im Amt und selbst ein Opfer der Diktatur, könnte zu einer wichtigen Protagonistin in diesem Prozess werden."

Die DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN glauben:

"Es gibt viele Gründe, weshalb es nie zu einer Strafe für Pinochet kam. Der wohl wichtigste hat mit Chile selbst zu tun. Auch nach dem Sturz der Junta blieb die Demokratie gespalten. Angst vor der Reaktion des Militärs und vor dem Aufbrechen der alten Wunden verhinderte einen nationalen Konsens im Umgang mit dem Tyrannen. Aufarbeitung der Diktatur heißt aber auch, die Hintergründe des Putsches offen zu legen."

Die ebenfalls in Würzburg erscheinende MAIN-POST schreibt:

"Seine gerechte Strafe hat Pinochet nicht bekommen: Zwar musste er sich in mehr als 100 Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe verantworten, doch bis zuletzt war er nicht verurteilt. Seine Anwälte argumentierten immer erfolgreich, er sei zu krank für ein Verfahren. Beerdigt wird der Ex-Diktator als früherer Chef der Streitkräfte, entschied die Präsidentin. Ein richtiges Staatsbegräbnis bleibt ihm - zum Glück - verwehrt."

Die Berliner Zeitung NEUES DEUTSCHLAND ist der Ansicht:

"Durch den Tod hat es der gläubige Katholik endgültig geschafft, sich für seine Verbrechen nicht vor einem irdischen Gericht verantworten zu müssen. Mehr als ein letzter Pyrrhussieg ist das freilich nicht. (...) Ein Schlusspunkt unter die Aufarbeitung der Diktaturverbrechen wird der Tod Pinochets nicht sein. Die Menschenrechtler werden nicht ruhen, bis die Militärs alle Informationen über die Verschwundenen auf den Tisch legen."

Der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg zieht nach dem Tod Pinochets Bilanz:

"Chile sucht nach wie vor seinen inneren Frieden, aber das Land kann ihn nicht finden, weil es seine eigene Geschichte nicht aufgearbeitet hat. Die demokratischen Kräfte haben für den friedlichen Übergang zahllose Kompromisse hinnehmen müssen, und bis heute führt die chilenische Armee ein Eigenleben als Staat im Staate. Aber mit dem Tod des Diktators öffnet sich ein neues Kapitel in der Geschichte Chiles. Immerhin steht eine mutige Frau an der Spitze des Landes, die einst selbst Folteropfer von Pinochets Schergen war und ins Exil getrieben wurde: Präsidentin Michelle Bachelet könnte für ihr Land die Rolle spielen, die einst Nelson Mandela für Südafrika gespielt hat."