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Pressestimmen von Dienstag, 12. März 2002

11. März 2002

Neue Atomstrategie der USA/ Einordnung der SPD-Spendenaffäre

https://p.dw.com/p/1ye8

Die möglichen Pläne der USA für einen erweiterten Einsatz von Atombomben und die Verlängerung der Liste möglicher Zielländer für Atomwaffen sowie die SPD-Spendenaffäre als Ausdruck einer politischen Kultur, das sind die beiden Themen dieser Presseschau. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU schreibt zu den Plänen der US-Regierung:

"Tief geschockt zeigte sich Peking jetzt über die neue
Atomwaffenstrategie der USA. Im Falle eines Krieges zwischen China und Taiwan will das Pentagon auch gegen Peking Nuklearwaffen einsetzen. Der Schaden, den die US-Regierung mit dieser Politik anrichtet, ist kaum zu überschätzen. Das wenige Vertrauen, das es zwischen den beiden Großmächten gab, ist dahin. Washington erklärt China offiziell zum Gegner und munitioniert damit genau die falschen Kräfte in der Volksrepublik. Pekings Generäle haben nun allen Grund, ihre Regierung zu einer Aufrüstung zu drängen. Die Hardliner in Chinas Führung, die Amerika sowieso als ihren Gegner ansehen, werden sich bestätigt fühlen."

Die Münchener ABENDZEITUNG sieht nun Europa gefordert:

" Wenn George W. Bush Atomwaffen nicht als letzte Möglichkeit der Abschreckung, sondern als 'taktische' Mittel zur Kriegsführung gegen selbst gekürte Schurkenstaaten sieht, begibt er sich auf eine schiefe Ebene, von der aus alles leicht ins Rutschen gerät. Wie abgehoben der US-Präsident agiert, zeigt, dass er nun auch noch Russland und China zu den Feindbildern gesellt. Es wird höchste Zeit, dass Europa den Mann im Weißen Haus in die Realität zurück holt."

Das HANDELSBLATT in Düsseldorf äußert Verständnis für die Atompläne der USA:

"Die europäische Empörung über die Inhalte des Pentagon-Berichts ist unnötig. Aber sie zeigt, wie schlecht es um das transatlantische Verhältnis derzeit bestellt ist. Ohne genauer hinzusehen, trauen die Europäer den USA inzwischen nahezu jede militärische Grausamkeit zu, wenn es denn dem Schutz vor dem Terror dient. Und die USA bedienen dieses Klischee im Überfluss: Mit martialischer Rede, durch arrogante Nichtbeachtung der Partner und durch die simple Klassifizierung der Erdbevölkerung in good guys und bad guys. Hier zu Lande wurde der 11. September relativ zügig als tragisches Ereignis abgebucht, nach dem man wieder zur Tagesordnung übergehen müsse. In den USA aber markieren die Anschläge eine Zäsur. Einzig vor diesem Hintergrund erklären sich die Washingtoner Politik und auch so manches militärische Säbelrasseln dort. Doch anders als früher kann diese asymmetrische Debatte diesmal zu einer langfristigen Entfremdung führen. Die Alleingänge der USA verschieben schon jetzt die bislang gültige Wertschätzung."

Die Spendenaffäre der Kölner SPD schwelt weiter, in der auch Schmiergeldzahlungen eine Rolle spielen sollen. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in München erinnert das an italienische Zustände:

"Die Demokratie entartet zur Lobbykratie. Wirtschaftliche Macht ohne Mandat verwandelt sich in politischen Einfluss. Der Beamte schließt den Dienstweg kurz, der Unternehmer findet eine Lücke. Mehr und mehr schrumpft der Staat zur bloßen administrativen Dienstleistungsagentur, und von seinen Dienern werden zunehmend Improvisation und Flexibilität verlangt. Es ist eine Staats-Schande: Hessische Baufirmen stellen Mitarbeiter ab, die, vom Unternehmen
bezahlt, für die personalschwache Stadtverwaltung arbeiten. Im Gegenzug werden Firmen Aufträge zugeschanzt. Economica sommersa, Schattenwirtschaft, heißt das in Italien."

Die BERLINER ZEITUNG macht ALLE Parteien für Korruptions- und Spendenaffären verantwortlich:

" Die Literatur über Risiken und Nebenwirkungen der
Parteibuchwirtschaft füllt längst die Regale. Seit Jahren warnen nicht nur Experten, sondern weiß jeder Zeitungsleser - sofern er nicht von als Journalisten kostümierten Parteisoldaten unterrichtet ist -, dass die Parteien nicht nur die drei Gewalten der Republik besetzen, sondern sich eine vierte exklusive geschaffen haben - neben der Legislative, der Exekutive und der Judikative haben sie die Lukrative etabliert. Sie hat nur ein Gesetz: Alles hat seinen Preis. Nur scheinbar steht das im Widerspruch zur Bemerkung Immanuel Kants: 'Würde ist, was keinen Preis hat.' Die Parteifunktionäre würden mit dieser Erkenntnis tun, was sie immer tun - sie würden sie ihm abkaufen."