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Pressestimmen von Dienstag, 13. Februar 2007

Gerd Winkelmann12. Februar 2007

Freiheit für ehemalige RAF-Terroristin

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Nach mehr als 24 Jahren im Gefängnis kommt die frühere RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt frei. Zu lebenslang verurteilt darf sie die Justizvollzugsanstalt im bayerischen Aichach am 27. März auf Bewährung verlassen. Die Stuttgarter Justiz sei Recht und Gesetz gefolgt, so Reaktionen aus dem politischen Raum. Viele Zeitungskommentare können dem folgen, allerdings nicht ohne Blick auf die Angehörigen der damaligen Opfer:

Die HESSISCH/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE aus Kassel schreibt:

'Wer kennt noch Wolfgang Göbel und Georg Wurster? Ihre Namen sind weit gehend vergessen - ganz im Gegensatz zum Namen jener Frau, die für ihren Tod verantwortlich war: Brigitte Mohnhaupt, Anführerin des RAF-Kommandos, das am 7. April 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine Begleiter, Fahrer Georg Wurster und Fahrbereitschaftschef Wolfgang Göbel erschoss. Für deren Angehörige wird es ein schwerer Tag, wenn Mohnhaupt in Kürze freikommt. Dennoch ist nichts zu kritisieren an der Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart.'

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU ist sich sicher:

'Im Falle der RAF-Terroristen setzt der Staat ein zweites Zeichen: (...) Dass er sich auf Basis der Menschenwürde human und regelgerecht verhalte, haben sie damals bestritten. Und leider hat er, im Deutschen Herbst vor 30 Jahren wie im Kampf gegen den Terror des dritten Jahrtausends, manchmal durch übertriebene Härte und Einschränkung von Bürgerrechten selbst Zweifel genährt. Dass er nun Brigitte Mohnhaupt wie alle anderen Straftäter behandelt, ist auch deshalb ein gutes Zeichen. (...) Für die Angehörigen der Opfer wäre dies vielleicht zu ertragen, unter einer Bedingung: dass die Täter in Freiheit zu dem fänden, was sie in Haft noch verweigern, nämlich klaren Worten der Reue.'

Auch im WIESBADENER KURIER zeigt ist sich der Kommentator überzeugt:

'Mit der Haftentlassung der Ex-Terroristin Brigitte Mohnhaupt nach Verbüßung ihrer Mindesthaftzeit hielten sich die Richter strikt an die gesetzlichen Vorgaben. Und es ist abzusehen, dass es für die noch einsitzenden Ex-RAF-Mitglieder Christian Klar, Eva Sybille Haule und Birgit Hogefeld 2009 und 2011 ähnliche Regelungen geben wird. (...) Ein Rechtsprinzip, das aus den Ex-Terroristen weder Märtyrer macht, noch ihnen den Status politischer Gefangener einräumt.'

Aus Erfurt schreibt die THÜRINGER ALLGEMEINE zum Thema:

'Der Umgang mit den Gefangenen der Roten Armee Fraktion ist für den Rechtsstaat noch immer eine Frage der Glaubwürdigkeit. Die Justiz kann sich nicht dem Verdacht aussetzen, sie ließe sich politisch beeinflussen. Insofern ist die Entscheidung der Stuttgarter Richter weder überfällig noch verfrüht, wie Befürworter oder Gegner meinen, sondern konsequent. Dies würde freilich nicht für Christian Klar gelten. Dessen Strafmaß ist noch nicht abgelaufen. Der Bundespräsident steht damit vor einer schweren Wahl.'

Für den NORDBAYERISCHEn KURIER aus Bayreuth ist die Sache klar:

'Wenn Mohnhaupt nun frei kommt, dann ist dies ein Schlag in die Gesichter der Menschen, die bis heute unter der Ermordung ihrer Angehörigen durch die RAF leiden. Einmal mehr wird das Rechtsverständnis des Staates in ein wenig vorteilhaftes Licht gerückt. Mohnhaupts Freilassung mag juristisch noch so korrekt sein. Die Schwere ihrer Tat verbindet die Entscheidung des Gerichts mit allergrößtem Unbehagen.'

Das Aschaffenburger MAIN-ECHO ist folgender Meinung:

'Die Aufregung um Brigitte Mohnhaupt wie um Christian Klar, den zu begnadigen Bundespräsident Horst Köhler erwägt, ist emotional verständlich, aber rechtsstaatlich unbegründet. Mohnhaupt ist nicht die erste RAF-Terroristin, die vorzeitig frei kommt, Klar nicht der Erste, der begnadigt werden würde. Sie haben gebüßt. Und sie werden Zeit ihres Lebens mit ihren Taten und ihrer tiefen moralischen Schuld konfrontiert. Davon kommen sie nicht los. Davon kann sie niemand befreien. Im Gegenzug belegt der Rechtsstaat, dass er mitnichten jenes «Monster» ist, das zu bekämpfen die RAF einst angetreten war. Gerade weil sich der Staat den Kategorien von Hass und Rache entzieht, ist er am Ende stärker als alle seine Feinde.'

In Düsseldorf erscheint das HANDELSBLATT und schreibt zum Thema:

'Das Wichtigste ist, dass in der Auseinandersetzung zwischen Terror und Rechtsstaat das Recht gewonnen hat. Schade und ein bisschen armselig, dass den Politikern, die sich nun über die Freilassung von Mohnhaupt das Maul zerreißen, dieses Faktum kaum der Rede wert ist obwohl es zeigt, dass die Täter nicht triumphieren. Gegen die ruhige Kraft des Rechtsstaats hat die RAF zu berserkerhafter Gewalt gegriffen. Sie ist unterlegen, und die Überlegenheit der Demokratie zeigt sich darin, dass sie auch ihre rücksichtslosesten Gegner wieder frei lässt. Nur eines kann sie nicht: Unrecht ungeschehen machen.'

Hier noch ein Blick in den Kommentar in die ESSLINGER ZEITUNG:

'Völlig unerträglich wäre es,' schreibt sie', 'wenn Mohnhaupt jetzt durch die Talkshows der Republik tingeln würde und eine von keiner besseren Einsicht geprägte Version des Deutschen Herbstes zum Besten gäbe. Dies wäre eine schwere Belastung für die Angehörigen der Opfer, die bis heute unter dem Trauma der Morde leiden. Doch juristisch ließe sich wenig dagegen unternehmen, wenn Mohnhaupt auf diese Weise ihre Zeit bei der RAF vermarktet. Das Gericht hatte nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes kaum eine Chance, anders zu entscheiden.'