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Pressestimmen von Dienstag, 14. November 2006

Christoph Schmidt 13. November 2006

Führungswechsel bei der Telekom / Engagement in Afghanistan

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Die Deutsche Telekom hat einen neuen Chef. Nach dem Rücktritt von Kai-Uwe Ricke soll René Obermann - bislang an der Spitze von T-Mobile - den angeschlagenen Konzern wieder in die Erfolgszone steuern und vor allem den Aktienkurs aus der Talsohle bringen. Die Forderungen der NATO nach einem stärkeren Engagement der Bundeswehr in Afghanistan ist ein weiteres Thema dieser Presseschau.

Die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz bemerkt zum neuen Telekom-Chef:

"Dass er den Job bekommen hat, verdankt Obermann seinem Ruf als Problemlöser. Dabei kann er sich schnell verheben, denn die Unbeweglichkeit der AG ist sprichwörtlich. Auch, weil dort noch immer 40.000 der 110.000 Mitarbeiter Beamtenstatus haben. Die denken wie zu Zeiten, als die Telekom noch konkurrenzlos auf ihrem Festnetz saß und dieses nur verwaltet werden musste. Dennoch: Obermann findet eine Telekom vor, die ein Global Player ist. Darauf lässt sich aufbauen, sofern er den Arbeitnehmern klar machen kann, dass die Zukunft nur in hoher Flexibilität und kompromissloser Servicebereitschaft liegen kann."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER schreibt:

"Obermann muss jetzt vor allem für die Telekom das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen. Er muss das Unternehmen schneller machen und nach außen und innen besser verkaufen. Es ist doch nicht so, dass in Bonn rote Zahlen geschrieben werden, im Gegenteil: Die Telekom erwirtschaftet zwar erheblich weniger, aber immer noch einen Milliardengewinn. Mit dem erfolgreich abgeschlossenen riesigen Entschuldungsprogramm und der Expansion im Mobilfunk übergibt Ricke seinem Nachfolger ein handlungsfähiges Unternehmen."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam urteilt skeptischer:

"Wie der Neue den Aktienkurs nach oben treiben kann, bleibt unklar. Genau das wollen die murrenden Kleinaktionäre und das will der Großaktionär Bundesregierung - der aber zugleich klar macht, dass es keinen Stellenabbau geben soll. Ob Obermann wirklich der richtige Mann für diese unlösbar erscheinende Aufgabe ist, muss er noch beweisen. Bislang hat er sich nur in der Mobilfunksparte bewährt, und die ist anders als das kriselnde Festnetzgeschäft nun mal eine Wachstumsbranche. Diese Skepsis konnte der Neue gestern nicht beseitigen. 'Serviceoffensive' klingt gut, aber die Kunden rennen vor allem wegen des Preises zur Konkurrenz."

Im NORDBAYERISCHEN KURIER aus Bayreuth heißt es:

"Selbst wenn Obermann bei allen Beteiligten Hoffnungen weckte, ohne gleich allzu große und vor allem konkrete Ziele auszugeben, weiß er doch selbst am besten, dass die Herausforderungen enorm sind. Die Manövrierfähigkeit des Riesentankers Telekom muss zumindest so weit erhöht werden, dass die teils deutlich schlankere Konkurrenz in ihren Schnellbooten nicht weiter Pirouetten um das Flaggschiff drehen kann. Offensive Strategien müssen her. Wenn auch Obermann die schuldig bleibt, sieht es düster aus für den rosa Riesen."

Themenwechsel: Seit Wochen wächst in Afghanistan der Widerstand der Taliban-Rebellen gegen die ISAF-Truppen unter dem Befehl der Nato. Deren Generalsekretär, de Hoop Scheffer, fordert nun, dass sich die Bundeswehr auch in besonders umkämpften Regionen des Landes engagiert. Die Bundesregierung lehnt das vehement ab. Somit bleibt der Afghanistan-Einsatz in den Pressekommentaren Prüfstein deutscher Außenpolitik.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE schreibt:

"In Berlin sollte sich niemand darüber wundern, daß die Forderungen aus der Allianz drängender werden. In einigen Teilen des Landes hat sich die Lage dramatisch verschlechtert, vor allem dort, wo Briten und Kanadier die Hauptlast des Kampfes tragen. Für die Nato rückt die Stunde der Wahrheit deshalb immer näher. Einige Partner fühlen sich im Stich gelassen. Wenn der Ernstfall noch ernster wird, wird der Druck auf Berlin weiter wachsen. Die Frage lautet dann: Was ist uns die Partnerschaft wert?"

Auch der Berliner TAGESSPIEGEL sieht Deutschland in der Pflicht:

"Es gibt einen Konsens in der Nato, dass mehr getan werden muss. Aber wie üblich gewährt jede Nation höflich anderen den Vortritt. Nur eine konzertierte Anstrengung auf diplomatischem und militärischem Gebiet kann verhindern, dass Afghanistan erneut zum Sicherheitsrisiko für den Westen wird. Es sollte offensichtlich sein, dass auch Deutschland mehr Geld und Soldaten bereitstellen muss. Und zwar weil es in unserem eigenen Interesse ist, dass unsere Investitionen in das Projekt Afghanistan nicht vergebens waren."

Das HANDELSBLATT aus Düsseldorf meint:

"Militärisch lässt sich der Krieg gegen die Taliban kaum gewinnen. Umso verzweifelter sucht Scheffer nun Hilfe. Wer die ablehnt, könnte sich beim Nato-Gipfel Ende November leicht in der Rolle des Sündenbocks wiederfinden. Dies hat man auch in Berlin längst erkannt. Entsprechend heftig fiel gestern die Gegenwehr aus. Jung versuchte sich sogar mit einem lauten 'Basta': Die Bundeswehr bleibe im Norden Afghanistans. Überzeugend klang das aber nicht. Denn in Wahrheit hilft Jung ja längst mit Soldaten im umkämpften Süden aus. Beim Nato-Gipfel muss Deutschland wohl endlich Farbe bekennen."

Und der WIESBADENER KURIER kommentiert:

"Das westliche Bündnis verlangt deutsche Kampftruppen im Süden Afghanistans als «notwendiges Zeichen der Solidarität». Noch vor wenigen Jahren wäre es keinem Nato-Generalsekretär eingefallen, derart offenen, ja unverschämten Druck auf die Bundesregierung auszuüben wie jetzt Jaap de Hoop Scheffer. Es scheint, dass die in letzter Zeit arg ausgeweitete Bereitwilligkeit Berlins zur Beteiligung an Auslandseinsätzen eher neue internationale Begehrlichkeiten weckt als dass sie die Partner zufriedenstellt."