1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Dienstag, 15. April 2003

Bernhard Schatz14. April 2003

SPD-Sonderparteitag

https://p.dw.com/p/3UbM

Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich am Dienstag überwiegend mit dem -auf Druck der Parteibasis- für den 1. Juni angesetzten Sonderparteitag der SPD. Dabei sollen die Delegierten über die Sozial-Agenda 2010 von Kanzler Schröder entscheiden.

Dazu die TAZ aus Berlin:

'Die SPD-Spitze erpresst ihre Basis. Und zwar ganz schmucklos. Generalsekretär Olaf Scholz kam gestern gleich zum Punkt: Die Delegierten auf dem Sonderparteitag haben nur eine Wahl. Sie lautet «Ja» oder «Nein» zum Kanzler. Es gehe um nichts weniger als die «Regierungsfähigkeit der SPD». Wer gegen die Sozialreformen stimmt, stimmt gegen Kanzler Schröder und damit - so die Logik - gegen die eigene Partei. Diese Frage der ehrenamtlichen Genossen - «was sollen wir hier?» - ist nicht neu. Deswegen wurden ja basisdemokratische Instrumente eingeführt, etwa das Mitgliederbegehren oder die Internetforen der «Netzwerkpartei». Es ist ironisch: Je stärker sich die Basis beteiligen will, desto häufiger wird sie vor «Wahlen» gestellt, die keine sind.'

In der SAARBRÜCKER ZEITUNG heißt es:

'Ein echtes Dilemma. Gibt Schröder dem Drängen der Kritiker nach, riskiert er seine Regierungsfähigkeit. Wagt er eisern den Durchmarsch, droht das Veto der Partei. Viel, wenn nicht alles, hängt jetzt davon ab, ob die SPD-Linke an der brisanten Mitgliederbefragung festhalten wird. Den Sonderparteitag dürfte Schröder überstehen, wenn er in den 'Regionalkonferenzen' mehr Überzeugungskraft ausstrahlt als bisher. Packt er es nicht, erwartet ihn das Schicksal seines Vorbildes Helmut Schmidt: Der ist auch an der eigenen Partei gescheitert.'

Die in Rostock erscheinende OSTSEE-ZEITUNG glaubt:

'Lange hat sich der Kanzler geziert, nun waren ihm unter dem Druck der Parteibasis wohl doch die Argumente gegen einen Sonderparteitag ausgegangen. Es ist schon starker Tobak, wenn in den eigenen Reihen von einer möglichen «sozialen Schieflage» durch die Agenda 2010 die Rede ist, wenn der Juso-Chef kritisiert, die geplante Absenkung der Arbeitslosen- auf das Niveau der Sozialhilfe stehe im klaren Widerspruch zum Regierungsprogramm der SPD. Auch der Vorwurf, die Parteiführung habe einen Sozialabbau «Kohlschen Ausmaßes» vor, ist nicht von schlechten Eltern.'

Die STUTTGARTER ZEITUNG sieht die SPD-Führung vor einem 'Scherbenhaufen', für den auch andere aus der Parteiführung verantwortlich sind:

'So erfolgreich Müntefering als Generalsekretär war, so schwach wirkt er als Fraktionschef. Er hat die Fraktion ebenso wenig im Griff wie Scholz die Partei. Müntefering ist der richtige Mann auf dem falschen Posten. Bei Scholz bezweifeln inzwischen immer mehr Spitzengenossen, dass er seinem Amt überhaupt gewachsen ist. Das Versagen seiner Spitzenleute entschuldigt Schröder nicht: Er ist der Boss, er hätte auf einem Sonderparteitag bestehen müssen, um seinen Kurs vom höchsten Parteigremium legitimieren zu lassen. Er hätte der Partei von sich aus die Vertrauensfrage stellen müssen. Stattdessen hat er sich die Auseinandersetzung nun von der Basis aufzwingen lassen.'

Im BERLINER KURIER lesen wir:

'Kanzler Gerhard Schröder ist auch Chef der SPD. Und dieser Job macht ihm derzeit wenig Freude. Denn die eigenen Genossen wollen ihm nicht so recht folgen. Unsozial und ungerecht nennen viele seine Politik, mit der der oberste Genosse den Sozialstaat Deutschland sanieren will. Und weil der Kanzler gerne «Basta» sagt, wenn er etwas will, sagen jetzt die Genossen zu ihm: Nichts mit Basta, erst mal uns fragen.'

Zum Schluß ein Blick in den Kölner EXPRESS:

'Kanzler Schröder setzt alles auf eines Karte. Er verknüpft sein politisches Schicksal mit der Zustimmung der Basis zu seinen Reformen. Alles oder nichts ein gewagtes Spiel mit höchstem Einsatz. Schröder hat dies oft exerziert, wenns eng wurde und zum Schluss gesiegt. Doch diesmal ist der Ausgang des Pokers ungewiss. Eine Alternative hatte der Kanzler dennoch nicht. Denn es geht um viel mehr als seine Reformen. Es muss ein für allemal klar sein, wer das Sagen hat in diesem Land: Der gewählte Kanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt, oder die Blockierer am Gängelband der Gewerkschaften.'

Das war die Presseschau.