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Pressestimmen von Dienstag, 15. Februar 2005

zusammengestellt von Arian Fariborz. 14. Februar 2005

Visa-Affäre / Schröders NATO-Reform

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich an diesem Dienstag vor allem mit der Visa-Affäre und der Kritik Gerhard Schröders an der NATO.

In Hinblick auf die politische Verantwortung Joschka Fischers in der Visa-Affäre schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"Ob der unbestrittene Missbrauch deutscher Asylpraxis so zeitnah abgestellt wurde wie behauptet, und wie vieler Hinweise die politische Leitung des Auswärtigen Amtes dazu bedurfte? Dem nachzugehen, ist in der Tat einen Untersuchungsausschuss wert. Dazu zählt auch die Frage, ob ein Erlass, der die Maxime ausgab: 'Im Zweifel für die Reisefreiheit', ein Klima zumindest gefördert hat, das eine Verlängerung von Zuständen förderte, die damals schon als untragbar erkennbar waren. Am Ende bleibt jedes Urteil politisch umstritten. Deshalb muss Fischer nicht die Opposition überzeugen. Wohl aber die Öffentlichkeit. Er hat zu tun."


Das Düsseldorfer HANDELSBLATT beleuchtet die möglichen Folgen der Visa-Affäre für die europäische Zuwanderungspolitik:

"Es geht um Fischer. Es geht aber auch, wenn sich das in Regierung und Opposition offenbar kaum noch jemand vorzustellen vermag, um viel mehr: Diese Auseinandersetzung kann bei den Bundesbürgern Pawlowsche Reflexe einschleusen. Selbst wenn es vielleicht nicht beabsichtigt ist, wird sich in den kommenden Wochen die Assoziationskette Osteuropa-Schleuserbanden-Schwarzarbeiter-Zwangsprostitution festsetzen. Dann wird der Ruf nach Protektion laut werden, so laut, dass man jeden Gedanken an eine weitere Öffnung der EU nach Osten vergessen kann. Die Einsicht, dass es keine Festung Europa geben kann, droht das erste Opfer des Visa-Streits zu werden."


Die NORDSEE-ZEITUNG aus Bremerhaven kritisiert Fischers Verhalten in der Visa-Affäre:

"Fischers Erklärung, er trage für 'mögliche Versäumnisse und Fehler meiner Mitarbeiter' die politische Verantwortung, ist von einer beispiellosen Selbstgerechtigkeit. Denn damit hat er lediglich eine Selbstverständlichkeit verkündet: Jeder Minister trägt eine solche Verantwortung. Der Punkt ist, inwieweit Fischer direkt Fehler vorzuhalten sind. Will er der Öffentlichkeit wirklich weis machen, er habe nichts von den über Jahre geäußerten Warnungen gehört, dass der Erlass von kriminellen Elementen ausgenutzt wird? Aber selbst wenn 'nur' seinen Mitarbeitern Versäumnisse nachzuweisen sein sollten, hängt die Antwort auf die Frage, ob der verantwortliche Minister persönliche Konsequenzen ziehen muss, von dem Ausmaß des Schadens ab. Und der ist alles andere als gering: Schleusungskriminalität und Zwangsprostitution sind keine Kavaliersdelikte."

Themawechsel: Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG kommentiert Gerhard Schröders Pläne zur Stärkung des transatlantischen Bündnisses:

"Als Militärbündnis hat sich die NATO auch ständig weiter entwickelt. Da lässt sich der Allianz nicht der Vorwurf der Erstarrung machen. Aber als politisches Forum ist die NATO schlicht überfordert. Transatlantische Beziehungen lassen sich längst nicht mehr nur durch die militärische Brille betrachten - im Gegenteil. Die Europäische Union bespricht ihre politischen Probleme längst in unzähligen Räten und auf Gipfeln der verschiedenen Fachminister und Regierungschefs. Dadurch ist ein dichtes Kommunikationsgeflecht entstanden, in dem sich Politik machen lässt. Im Umgang mit den USA und Kanada fehlt dieses Netz. Die EU-US-Konsultationen sind da nutzlos, weil an ihnen immer nur die amtierende Rats-Trojka teilnimmt. Gesucht werden also frische Ideen, wie sich dieses Defizit beheben lässt. Wenn Schröder dies gemeint hat, dann sollte man nun ernsthaft Vorschläge einreichen."


Positiv bewertet die Berliner Tageszeitung TAZ die NATO-Reformpläne von Bundeskanzler Schröder:

"Die NATO ist ein Militärbündnis, nicht mehr. Vielleicht inzwischen sogar weniger. Die letzte Supermacht lässt keinen Zweifel daran, dass sie ihre Bündnispartner gerne von Fall zu Fall auswählen möchte, NATO hin oder her. Wer meint, dass eine gemeinsame westliche Position trotzdem nach wie vor wünschenswert wäre, der hätte den Vorstoß von Schröder eigentlich begrüßen müssen."