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Pressestimmen von Dienstag, 17. Februar 2004

Arian Fariborz16. Februar 2004

Türkei gegen Merkels EU-Partnerschaftsmodell / Bundesregierung hält an Praxisgebühr fest

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Das Festhalten der Bundesregierung an der umstrittenen Praxisgebühr in der Gesundheitsreform sowie die Gespräche zwischen CDU-Chefin Angela Merkel und dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara bestimmen die Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Über die Absage Erdogans an eine "privilegierte Partnerschaft" mit der EU und den Ergebnissen der Gespräche mit der CDU-Chefin schreibt die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG:

"Dass Ankaras Regierungschef Merkels Angebot einer privilegierten Partnerschaft dankend ablehnt, war klar. Wer nimmt schon trockenes Brot, wenn es auch Lammkeule gibt? Schließlich kommt bald Schröder, der große Fürsprecher des türkischen EU-Beitritts. Insofern bleibt Angela Merkel der Respekt für Mut und Ehrlichkeit. Tatsache ist, dass die türkische Regierung unter Erdogan eine beachtliche Reformbereitschaft zeigt, die zwingend unterstützt werden muss. Die Westintegration der Türkei zu fördern, ist zutiefst im europäischen Interesse. Um zu klären, in welcher Form das geschieht, muss aber zunächst die EU ihren Selbstfindungsprozess beenden."

Ganz ähnlich sieht es das Düsseldorfer HANDELSBLATT:

"Umso wichtiger ist für Erdogan, Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen und Rückhalt zu gewinnen. Den dürfte ihm eine Woche nach der skeptischen Angela Merkel wohl ein Besucher verschaffen, der für das EU-Votum der Türkei von ungleich größerer Bedeutung ist: Bundeskanzler Gerhard Schröder. Von diesem kann Erdogan jene Solidarität erwarten, die Ankara auch dringend von allen bald 25 Mitgliedern der EU benötigt, die über das Beitrittsbegehren zu befinden haben. Doch erst wenn nicht nur der nächste Fortschrittsbericht positiv ausfällt, sondern auch die großen drei - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - in der Türkei-Frage an einem Strang ziehen, dürfte für Ankara das Rennen gelaufen sein." In Hinblick auf die Europawahl ist der EU-Beitrittswunsch der Türkei für einige Europapolitiker schon jetzt ein großes Wahlkampfthema.

Hierzu bemerkt kritisch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG:

"Bei der Europawahl im Juni wird nun wirklich nicht darüber abgestimmt, ob die Türkei in die Europäische Union aufgenommen wird oder nicht. Wer dies behauptet, der will Krawall: Krawall für den Wahlkampf, Polarisierung, innen- und außenpolitische Unruhe. Überhaupt ist ein Hallodri, wer heute eine einfache Lösung für eines der schwierigsten außenpolitischen Probleme der nächsten Zeit verkündet. Aufnehmen oder draußen lassen: Vielleicht zeugt es ja von Meinungsstärke oder politischem Spielertum, wenn man hier und heute den Türken eine klare Antwort geben kann."

Themawechsel. Die Bundesregierung will an der umstrittenen Praxisgebühr unverändert festhalten. Die KIELER NACHRICHTEN schreiben dazu:

"Von einer geglückten Reform kann (noch) nicht die Rede sein. Der Patient Gesundheitsreform (wurde) weder kompetent operiert noch vor Weihnachten mit einem abgestimmten Therapieplan versorgt, sondern stattdessen nach einer Notoperation in die Festtage und ins neue Jahr entlassen... Kleinigkeiten wurden nachgebessert, Fehler dem Pflegepersonal zugeschoben. Der Patient - also wir alle - wäre längst zur heilsamen Ruhe gekommen, wenn nicht gerade die behandelnden Ärzte öffentlich über ihre halbherzigen medizinischen Maßnahmen daherplapperten. Wer soll denn die bittere Medizin Praxisgebühr aus Überzeugung schlucken, wenn die verordnende Frau Doktor sie selbst in Frage stellt? Gilt denn die ärztliche Schweigepflicht nicht mehr?"

Dagegen kommentiert die Tageszeitung DIE WELT:

"Die Gesundheitsreform muss wohl nachgebessert werden, aber nicht bei der Praxisgebühr. Diese hat sich längst als erfolgreich erwiesen. Die Zahl der Arztbesucher hat drastisch abgenommen, wie es durch die Gebühr erreicht werden sollte. Es käme darauf an, diesen Erfolg politisch zu verkaufen und die maulenden Lobbygruppen in die Schranken zu weisen. Wer allerdings glaubt, dass der Wähler ihn für reformerischen Mut abstrafen wird,kann niemals Erfolg haben."