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Pressestimmen von Dienstag, 18. Juli 2006

Thomas Grimmer 17. Juli 2006

Nahost-Krise / Bilanz G8-Gipfel

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Die Kommentare der deutschen Tagespresse beschäftigen sich vor allem mit der Krise im Nahen Osten und dem am Montag zu Ende gegangenen G8-Gipfel im russischen St. Petersburg.

Zunächst zur Lage in Nahost. Der Berliner TAGESSPIEGEL schreibt:

"Aus einem Terror mit zumindest nachvollziehbarem Hintergrund ist blanker Terror geworden. Nicht um Land oder das Ende einer Besetzung geht es den Militanten, sondern um Krieg gegen Israel. Ihre ungebremste Aggressivität nährt den Verdacht, dass der territoriale Aspekt des Konflikts für sie schon immer nur ein Vorwand war. Ganz deutlich und sehr regelmäßig bringen das die Drahtzieher zum Ausdruck - Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad, Hisbollah-Führer Hasan Nasrallah und Hamas-Chef Chaled Meschal. Sie wollen Israel vernichten, deuten Rückzüge als Schwäche und Zeichen ihrer eigenen Stärke."

Zu Vorschlägen, im Süden des Libanon eine so genannte "Pufferzone" einzurichten, meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Eine Pufferzone bedeutete, wenn sie ernst gemeint wäre, die nahezu vollständige Kontrolle über weite Teile des Libanons, Entwaffnung oder Rückzug der Hisbollah, insgesamt die Übernahme der Verantwortung für die Sicherheit in einem breiten Grenzgürtel. Das könnte die Lage mittelfristig beruhigen und wäre angesichts der Furcht vor einem regionalen Flächenbrand nicht wenig."

Die PFORZHEIMER ZEITUNG hält Vermittlungsversuche für wenig Erfolg versprechend:

"Es scheint, als hätten sich beide Seiten seit langem auf diesen Kampf vorbereitet. Und jetzt wollen sie ihre Vorhaben auch umsetzen: Israel wird nicht innehalten, ehe der Großteil der lagernden Raketen der Hisbollah-Milizen zerstört sind; die Hisbollah hingegen demonstriert seit Tagen eindrucksvoll, wie weit nach Israel hinein ihr Raketenarm reicht. Angesichts dessen kann man sich schon fragen, was all die Vermittlungsversuche oder gar ein Blauhelm-Einsatz bringen sollen. Für die Menschen allerdings - die auf beiden Seiten der Grenze leiden - ist das Einmischen der internationalen Staatengemeinschaft im Moment die einzige Hoffnung. Eine große ist es nicht."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER sieht Versäumnisse der USA:

"Es rächen sich in diesen Tagen im Nahen Osten viele Fehler der Regierung Bush. Einer der folgenreichsten Fehler, wie sich jetzt zeigt, war die fast vollständige Verweigerung, Syrien und Iran in die Nahost-Diplomatie der letzten Jahre einzubeziehen. Beide Staaten wurden von Bush pauschal als Schurken- und Tyrannenstaaten abgestempelt und politisch kaltgestellt. (...) Hamas und Hisbollah in der prekären Lage dieses Augenblicks zu mäßigen, kann, wenn überhaupt, nur durch die Mithilfe der Regierungen in Teheran und Damaskus gelingen; mit beiden hat die Regierung Bush bislang fast jedes Gespräch verweigert."


Nach dem Ende des G8-Gipfels in St. Petersburg ziehen die Leitartikler der deutschen Tagespresse eine unterschiedliche Bilanz:

Die Würzburger TAGESPOST meint zur künftigen Rolle Russlands, das erstmals als Gastgeber des Gipfels fungierte:

"St. Petersburg hat allein durch die Wahl dieses Ortes zum Prestige Russlands beigetragen. Der Westen hat Präsident Wladimir Putin diesen Erfolg trotz mancher Demokratiedefizite in seinem Lande nicht 'vermasselt'. Dies war klug, obwohl Russlands innen- und außenpolitische Zukunft Anlass zu mancherlei Fragen und Bedenken gibt. (...) Die westlichen Staaten werden lernen müssen, mit einem starken, aber zunehmend undemokratischen Russland umzugehen. Sie müssen behutsam versuchen, dieses schrittweise an den Westen heranzuführen."

Die BERLINER ZEITUNG meint, dass Gastgeber Wladimir Putin insbesondere im Vergleich zu US-Präsident Bush eine gute Figur gemacht hat:

"Dass Wladimir Putin die weltpolitische Bühne in St. Petersburg aufbauen durfte, verdankt er nicht zuletzt den USA. Die letzte Supermacht hat sich übernommen. Sie macht weniger als Akteur von sich reden denn als Aktionist. George W. Bushs Auftritt war schwach. Schlecht vorbereitet und seltsam entrückt, bot er Putin die Gelegenheit, bella figura zu machen. Jede Kritik parierte dieser mit geschickten Kontern. Die demokratischen Errungenschaften des Irak muss auch Putin sich nicht als als Beispiel vorhalten lassen."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg lobt das Auftreten der deutschen Kanzlerin:

"Angela Merkel, die beim G8-Gipfel en passant auch ihren Geburtstag feierte, macht außenpolitisch keine Fehler. Und das kontrastiert auffällig zu den Kämpfen an der heimatlichen Reformfront. Das Petersburger Gruppenbild mit Dame hätte nach der Vorgeschichte schlechter sein können. (...) Merkel hat (...) die Politik Schröders korrigiert, der sein Vorzugs-Verhältnis zu Moskau auf dem Rücken der deutsch-amerikanischen Bindungen installierte."

Das wichtigste Ergebnis des Gipfels war nach Ansicht der MÄRKISCHEN ALLGEMEINEN die Erklärung der Teilnehmerstaaten zur Krise im Nahen Osten:

"Am Ende ist sie doch noch zustande gekommen, die gemeinsame Erklärung der G8-Staaten zum Nahost-Konflikt. Das ist wahrscheinlich der größte Erfolg des Gipfels, weil es gelungen ist, die unterschiedlichen Interessen Russlands und der Vereinigten Staaten zumindest partiell unter einen Hut zu bringen. Der Vorschlag, eine internationale Beobachtermission mit robustem Mandat in den Südlibanon zu schicken, ist aller Ehren wert. An der Wurzel des Konflikts setzt er allerdings nicht an. Das zu tun, hieße, sich mit den Regimen in Syrien und Iran offensiver auseinanderzusetzen. Dazu aber ist die Runde der Staats- und Regierungschefs wohl zu heterogen besetzt gewesen."