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Pressestimmen von Dienstag, 19. September 2006

Ursula Kissel 18. September 2006

Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern / Parlamentswahlen in Schweden

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen befassen sich mit dem Ausgang der deutschen Landtagswahlen und den Parlamentswahlen in Schweden. Zunächst zu den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Die SPD hat sich in beiden Ländern als stärkste Kraft behauptet und sucht nun nach möglichen Koalitionspartnern:

Zu den bevorstehenden Gesprächen schreibt die Chemnitzer FREIE PRESSE:

"Dabei werden die Berliner Parteizentralen nicht müde, immer wieder zu betonen, dass die Entscheidung über den Regierungspartner allein beim Land liegt, was bei den jüngsten Wahlen besonders schwer fällt zu glauben. Immerhin hat sich eine Partei wie die SPD das strategische Ziel gesetzt, im Westen bis 2009 auf jeden Fall den Einzug der Linkspartei in ein Landesparlament zu verhindern. Da ist die Versuchung groß, im Osten wenigstens die verbliebenen Regierungsbündnisse mit den Linken aufzukündigen..."

Die BERLINER ZEITUNG äußert sich zum Abschneiden der Linkspartei.PDS in der Hauptstadt:

"Besonders die Linkspartei hat es kalt erwischt, dass diese Stadt in den vergangenen fünf Jahren eine andere geworden ist. (...) Die Mitte Berlins, das urbane, kreative und undogmatische Zentrum, scheint seine Existenzkrise zur Zeit der Jahrtausendwende überwunden zu haben. Es wächst aus der Mitte heraus, die Szeneviertel und sanierten Kieze sind ein berlinweiter Exportschlager, der die alten Milieus in Ost und West immer mehr an die Ränder drängt, politisch gesprochen also die alte PDS und die alte CDU deren Mitglieder ohnehin aussterben."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER meint:

"Wahlen sind selten rein rationale Entscheidungen, aus denen dann ebenso rationale Konsequenzen gezogen werden könnten. Sie sind vor allem Stimmungsbilder. Und diese verdichten sich nach den zwei Abstimmungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern zu dem einfachen Satz: Die SPD kann mit dem Ergebnis leben, die Union nicht. (...) Angela Merkel wird ihren Kurs überdenken müssen, auch wenn sie das heute noch in Abrede stellt."

Die Kanzlerin gerät auch ins Visir der THÜRINGER ALLGEMEINEN:

"Angela Merkel brauchte fast einen ganzen Tag, um die Sprache wiederzufinden. Die Diskussion um die Führungsqualitäten der Regierungschefin hat neue Nahrung bekommen. In einer Partei, in der mindestens ein halbes Dutzend machthungriger Männer meint, es besser machen zu können, ist jede Niederlage Stoff für neue Intrigen."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München befasst sich mit der Parteien-Landschaft:

"Es wäre falsch, sich über eine neue Vielfalt zu freuen. Die großen Parteien müssen die Pluralität in sich selbst zur Verfügung stellen und überzeugend anbieten. Union und SPD müssen Elternpartei, Kinderpartei, Altenpartei, Tierpartei, Bildungspartei, Gewinnerpartei, Verliererpartei in einem sein. Denn zumindest Regierungspolitik muss Politik am Stück sein."

Themenwechsel. Bei der Parlamentswahl in Schweden haben die Konservativen gewonnen. Als Konsequenz hat Ministerpräsident Persson seinen Rücktritt eingereicht. Mit dem Wahlausgang in Schweden beschäftigen sich auch die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen:

Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER vermutet:

"Entscheidend für den Wahlausgang dürfte auch Banales gewesen sein: So wirkte der seit zehn Jahren regieren de Persson seit längerem ausgesprochen amtsmüde. Sauer waren viele Schweden, dass sich ihr Regierungschef mehr für seinen neuen Gutshof interessierte als für Innenpolitik. Durch die Ermordung seiner charismatischen Kronprinzessin Anna Lindh wurde die Sozialdemokratie zudem ihrer Hoffnungsträgerin beraubt. Der auf der großen politischen Bühne unerfahrene Wahlsieger Reinfeldt hingegen konnte einfach auch als »Jung-Dynamiker« punkten."

Nach den Gründen für den Wahlausgang suchen die DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN:

"Wirtschaftswachstum und sinkende Arbeitslosenzahlen sind eigentlich für eine Regierung die beste Empfehlung, um wiedergewählt zu werden. Nicht so in Schweden. Die Wähler haben die Sozialdemokraten abgestraft, weil diese sich offenbar zu sicher fühlten nach zwölf Jahren an der Macht und keine große Dynamik mehr zeigten. Der konservative Parteichef Fredrik Reinfeldt ist für seinen geschickten Wahlkampf belohnt worden. Er ging nicht auf totale Konfrontation zu den Sozialdemokraten, sondern bekannte sich zum schwedischen Wohlfahrtsstaat."

Die STUTTGARTER ZEITUNG blickt zurück in die Vergangenheit:

"Als Schwedens Sozialdemokraten 1976 nach mehr als vier Jahrzehnten an der Regierung erstmals eine Wahl verloren hatten, fühlten sich viele, als hätten sie einen Staatsstreich erlebt: so verknüpft war die Partei mit der Macht. Im Vergleich dazu nahmen die Sozialdemokraten ihre Niederlage am Sonntag doch gelassener. Nach drei von ihnen dominierten Wahlperioden war es wohl einfach wieder Zeit für einen Wechsel. Eine von Affären geplagte und von zu langer Machtausübung gezeichnete Regierungspartei hatte den frischen Kräften der bürgerlichen Allianz wenig entgegenzusetzen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hegt die Vermutung:

"Reinfeldts Wahlerfolg gleicht dem Anders Fogh Rasmussens in Dänemark haargenau. Auch Rasmussen wandelte sich vom Neoliberalen zum Sozialstaatler und ließ sich gerne - auch Reinfeldt wurde schon so genannt - «Tony Blair des Nordens» nennen, um so zu zeigen, wie die Sozialdemokraten mit deren eigenen Mitteln geschlagen werden können. In Finnland und Norwegen liegen die Dinge ähnlich. Nicht mehr die illusorische Bevorteilung einer bestimmten Klientel - abenteuerliche Steuersenkungen zum Beispiel - steht darin für die Konservativen im Vordergrund, sondern die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Integration der Einwanderer."