1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Dienstag, 20. Juli 2004

ausgewählt von Gerd Winkelmann19. Juli 2004

Formulare für Arbeitslose / Erinnerung an Nazi-Widerstand / Symbolik bei DaimlerChrysler

https://p.dw.com/p/5Kid

Mehr als zwei Millionen Empfänger bisheriger Arbeitslosenhilfe werden in den nächsten Wochen die Anträge für das neue Arbeitslosen- Geld II erhalten. Die Bundesagentur für Arbeit steckte jetzt die ersten Formular-Stapel in die Umschläge für den Postversand. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert dazu an diesem Dienstag:

'Jene 2,2 Millionen Arbeitslosenhilfe-Empfänger, die von Januar 2005 an bei fortgesetzter Erwerbslosigkeit Arbeitslosengeld II beziehen, erfahren jetzt mittels eines 16-seitigen Fragebogens, was alles verhökert werden muss, bevor der Staat einspringt: Die Lebensversicherungen all jener, die in einer Bedarfsgemeinschaft von dem Arbeitslosen abhängig sind, Kindergeld, Erziehungsgeld, Omas Sparstrumpf, gegebenenfalls Haus und Hof, das neue Auto sowieso. Der Staat will mit harter Hand dafür sorgen, dass Langzeitarbeitslose jede zumutbare Arbeit annehmen, unabhängig von Qualifikation und regionalem Tarifgefüge. Die positive Kehrseite der Medaille, quasi der Lohn für die Streichungen, sollte sein, dass man die Betreuung der Langzeitarbeitslosen verbessert. (...) In dieser zugesicherten Kombination des 'Förderns und Forderns' ließe sich dieses Konzept angesichts des Lochs in den Kassen ja nachvollziehen. Aber das Fördern wird bis auf weiteres verschoben, erst mal wird gekürzt.'

Der EXPRESS aus Köln meint zum selben Thema:

'Arbeitslose sollten sich am besten in den nächsten Wochen nichts mehr vornehmen. Wenn der dicke Fragebogen zur Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Briefkasten landet, ist Frust und Schweiß treibende Arbeit angesagt. Es gibt praktisch nichts, was die Bürokraten von der Bundesagentur für Arbeit nicht wissen wollen - mit Belegen, versteht sich. (...) Seitenweise Fragen über Fragen auch zu intimen Dingen wie Schwangerschaften, die jeden Betroffenen zum gläsernen Menschen machen - abgespeichert in den Computern der Bundesagentur für Arbeit. Der Arbeitslose - er steht künftig splitternackt da.'

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN widmen sich dem Gedenken an die Widerständler im Nationalsozialismus:

'Wenn heute der Kanzler im Ehrenhof des Bendlerblocks an die Ereignisse des 20. Juli erinnert, dann wird er auch der anderen, oft namenlosen Frauen und Männer gedenken, die das Nazi-Regime bekämpften und ihm vielfach zum Opfer fielen: Hellsichtige Zeitzeugen allesamt, die sich nicht abfinden mochten mit Terror und Entrechtung. Die meisten standen allein. Aber der Verfassungsstaat, in dem wir heute leben, hat viele Impulse von ihnen bezogen. (...) Hitler überlebte und startete einen beispiellosen Rachefeldzug. Doch auslöschen konnte er den Donnerschlag der Verschwörer nicht mehr. Er blieb sinnstiftend bis heute.'

In der WESTDEUTSCHEN ZEITUNG aus Düsseldorf lesen wir dazu:

'So unzutreffend die These von der Kollektivschuld die fortdauernde Verantwortung der Deutschen vor ihrer Geschichte beschrieb, so wenig eignen sich die Attentäter des 20. Juni zur kollektiven Rein- Waschung. Es bleibt die beklemmende Erkenntnis, wie schwierig eine Geschichtsschreibung der Schuld ist -- auch nachdem sich die Generation der Täter und der Opfer fast nicht mehr daran beteiligen kann. Hierzu gehören auch die nur für eine kurze Zeit aus der Tabuzone geholten Verbrechen der Wehrmacht, die nicht dadurch aus der Welt geschafft wurden, dass einige Bildbeschreibungen der gleichnamigen Ausstellung zu Recht in Zweifel gezogen worden sind.'

Zu guter Letzt ein Blick in die Tageszeitung DIE WELT. Ihr Thema sind die Lohn- und Gehaltskürzungen bei DaimlerChrysler:

'Die Einigung, die sich bei Daimler abzeichnet, ist symptomatisch für die Malaise der deutschen Unternehmensführung. Weil ohne die Gewerkschaften wenig geht, bedient man sich der Symbolik: Topmanager verzichten auf Gehalt oder gründen eine Personalagentur für nicht mehr beschäftigte Beschäftigte. Dabei geht es kaum darum, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Wichtig ist die Inszenierung des Kompromisses, aus dem beide Seiten als Gewinner hervorgehen. Damit erscheinen auch die jüngsten Einigungen bei Siemens und Bayer in einem anderen Licht. So erfreulich die größere Kompromissbereitschaft der Gewerkschaften ist: Sie ändert nichts an einem System, das in sich krank ist.'