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Pressestimmen von Dienstag, 21. Februar 2006

Walter Lausch 20. Februar 2006

Wertedebatte in der CDU / Doping-Skandal in Turin

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Die CDU will im Rahmen einer Programmdebatte über Werte diskutieren -eine Absicht, die von vielen Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen aufgegriffen wird. Ein weiteres Thema ist der Doping -Skandal, der die Olympischen Spiele in Turin überschattet. Zur Werte-Debatte in der CDU schreibt die LANDSHUTER ZEITUNG/STRAUBINGER TAGBLATT:

"Parteiprogramme gehören nicht zwangsläufig zum Lesestoff der Bundesbürger. Die richten ihr Urteil über Parteien vornehmlich daran aus, wie die auf Probleme reagieren. Und für die Parteien selbst sind Programme eher schmückendes Beiwerk, dessen man sich im politischen Tagesgeschäft bei Bedarf bedient. Der 'Wertekongress' der CDU dient denn auch mehr dem Zweck, den Erfolg - vor allem Dank Angela Merkel - in der Großen Koalition zu nutzen, die Partei in der öffentlichen Meinung stromlinienförmiger erscheinen zu lassen. Merkels ausdrückliche Warnung vor Flügelkämpfen und ihre Betonung des Sozialen unterstreichen das."

Für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG in München geht die Debatte nicht tief genug:

"Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität seien die Leitbegriffe christdemokratischer Politik, hat Angela Merkel gesagt. Das zeigt die engen Grenzen der Debatte: Kein vernünftiger Mensch ist gegen Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, natürlich auch nicht die SPD, die aber etwas ganz anderes darunter versteht. Die Parteien und Politiker handeln mit Chiffren und Formeln, Leerstellen und Projektionsflächen. Anders können sie das Dilemma politischen Handelns in einer hochkomplexen Gesellschaft auch gar nicht auflösen: Noch nie war Politik so sehr die Kunst des Kompromisses und des Machbaren; trotzdem lebt sie immer noch vom Versprechen und von der Vision, die weiter reicht als der nächste Kompromiss bei der Rentenreform."

Aus Sicht der Münchener ABENDZEITUNG müssen auf die Worte Taten folgen:

"Jenseits der schönen Worte, die an ein akademisches Oberseminar zur Semantik von Freiheit und Gerechtigkeit erinnern, strapaziert die CDU ihre Anhänger jedoch mit einem Schlingerkurs. Nicht vergessen ist der Wahlkampf, in dem Angela Merkel knallharte Ehrlichkeit statt Sozialromantik predigte. Der Härtetest für alle Polit-Lyrik, und das gilt nicht nur für die CDU, kommt im politischen Alltag. Wenn statt Zuckerguss politisches Schwarzbrot aufgetischt werden muss. Zum Beispiel bei der Gesundheitsreform."

Die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam gibt der CDU einen Rat:

"CDU und SPD sind derzeit dabei, sich neue Grundsatzprogramme zu geben, was angesichts des Berliner Regierungsbündnisses kein leichtes Unterfangen ist. Sie wollen sich profilieren, das heißt voneinander abgrenzen und dürfen doch keinen Marathon-Wahlkampf vom Zaune brechen. Während die SPD weit stärker als die CDU mit Traditionsbeständen zu kämpfen hat, die den offensichtlichen Erfordernissen und Zwängen aktueller Sozialpolitik widerstreben, sind die Christdemokraten gut beraten, wenn sie nicht in einen Wettlauf um die wohlklingendsten Versorgungszusagen eintreten."

Nun zum Doping-Skandal in Turin, in dessen Mittelpunkt österreichische Sportler stehen. Die FRANKFURTER NEUE PRESSE meint:

"Dass bei den skrupellosen Betrugsabsichten der Kampf gegen das Doping mit immer härteren Bandagen geführt wird, ja, geführt werden muss, liegt auf der Hand. Dopende Trainer und Sportler sind zwar noch immer keine Schwerverbrecher, aber Kriminelle, die mit betrügerischen Handlungen fairen und sauberen Athleten (sofern es die hoffentlich noch gibt) sportlichen Ruhm und damit auch Preis- und Sponsorengelder streitig machen, sind sie allemal. Und diese Kriminellen zu überführen, ist eine Aufgabe, bei der Razzien gewiss keine überzogenen Maßnahmen sind."

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth gibt sich zurückhaltender:

"Das IOC bewegt sich auf dünnem Eis. Die Null-Toleranz-Strategie im Kampf gegen das Doping-Unwesen lässt die Olympier immer skrupelloser zu Mitteln greifen, die nur noch schwer mit rechtsstaatlichen Normen zu vereinbaren sind. Razzien, bezahlte Spitzel und getarnte Fahnder sind Elemente aus Kriminalromanen, nicht aber aus dem olympischen Ehrenkodex. Und die Justiz muss wissen, ob sie sich dabei zum Komplizen machen darf."

Die BERLINER MORGENPOST warnt vor einer zu schnellen Vorverurteilung:

"Sport und Staat agieren nicht in derselben Sphäre. Der Sport hat bei der Überführung von Betrügern durch Dopingtests Vorteile: Er verfügt über wissenschaftliches Know-how und das Testernetz. Vor allem aber gilt die im Strafrecht nicht zulässige Beweislastumkehr. Bei positiven Tests muss der Athlet seine Unschuld beweisen, nicht der Ankläger hat nachzuweisen, wie die Substanz in den Körper gekommen ist. Doch allein mit Kontrollen kann der Sport wissenschaftlich hochgerüsteten Übeltätern nicht mehr beikommen. Deswegen muss er die Staatsgewalt hinzuziehen - samt wirkungsvolleren Instrumentarien wie Hausdurchsuchungen. Dann allerdings gilt auch das Strafprozessrecht mit seiner Unschuldsvermutung - bis zur endgültigen Verurteilung."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN gegen sich gelassen:

"Der Eventzirkus der Neuzeit-Gladiatoren kostet immer mehr und soll dennoch Gewinn bringen. Wer da glaubt, die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit seien nur auf natürlichem Wege und unter Beachtung des Dopingverbots immer weiter hinauszuschieben, hätte früher wohl auch geschluckt, dass die Prohibition Alkohol besiegt. Ein Prosit also auf den Spritzensport."