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Pressestimmen von Dienstag, 21. Juni 2005

zusammengestellt von Arian Fariborz 20. Juni 2005

Scheitern des EU-Gipfels / Steuerpläne der FDP / Anrechnung von Krankheitstagen

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Die anhaltende Krise in der Europäischen Union, die steuerpolitischen Konzepte der FDP sowie der umstrittene Vorschlag von Handwerks-Präsident Otto Kentzler, Krankheitstage mit Urlaub zu verrechnen, beschäftigen an diesem Dienstag viele Leitartikler der deutschen Tagespresse.

Was sind die Ursachen für die derzeitige Krise der EU und wohin steuert die Europa nach dem Scheitern des Brüsseler Gipfels? Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München bemerkt hierzu:

"Wer für ein modernes effizientes, transparentes und am Ende von den Bürgern auch akzeptiertes Europa ist, muss die alten Strukturen aufbrechen, in der EU und in den Mitgliedstaaten. Statt sich aber auf solche notwendigen, wenn auch unbequemen Weichenstellungen zu konzentrieren, haben sich die Europapolitiker in die Außen- und Verfassungspolitik geflüchtet. Immer weiter wurden Auftrag und Geltungsbereich der EU gezogen und am Ende sogar der Beitritt schlecht vorbereiteter Staaten wie Bulgarien und Rumänen einerseits und der fernen Türkei anderseits angestrebt."

Zu einem ähnlich kritischen Fazit kommt die STUTTGARTER ZEITUNG:

"In Europa haben Frankreichs Präsident Chirac, Bundeskanzler Schröder und EU-Kommissar Verheugen seit Jahren Ziele verfolgt, die sich nicht miteinander vereinbaren lassen, nämlich die Union gleichzeitig zu erweitern und zu vertiefen. Sie haben zugelassen, dass die historisch notwendige Osterweiterung finanziell nicht abgesichert war (...). Schröder und Chirac haben wie mit Blindheit geschlagen die Union immer größer machen wollen: Rumänien und Bulgarien sollen kommen, dann die Türkei und schließlich die Balkanstaaten. Das war nicht nur über die Köpfe der Menschen in Europa hinweg geplant."

DIE TAGESPOST aus Würzburg hinterfragt die Rolle Großbritanniens im Finanzstreit:

"Ausgerechnet Großbritannien übernimmt am 1. Juli die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union. Blair, der die zum Greifen nahe Einigung über Europas Finanzplanung durch sein nationalistisches Festhalten am britischen Privileg scheitern ließ, soll sechs Monate lang die Führung in Europa innehaben. Nie zuvor hat ein Ratspräsident unmittelbar vor der Amtsübernahme so deutlich den nationalen Interessen vor jenen Europas Vorrang gegeben. Tony Blair hat jede Chance verspielt, ein halbes Jahr lang der ehrliche Makler Europas, der Mittler zwischen den verschiedenen Interessen der EU- Mitgliedstaaten zu sein."

Themawechsel: Das von der FDP überarbeitete Modell für eine radikale Steuerreform kommentiert die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Das neue FDP-Konzept ist eine Abkehr vom unseriösen Vorschlag vor der letzten Bundestagswahl. Jetzt hat sich die FDP in diesem Punkt wieder auf den Boden einer an Tatsachen, nicht nur an Wünschen orientierten Programmatik gestellt, und das bedeutet, dass sie auch von einem künftigen Koalitionspartner Union beim Wort genommen werden kann. Deren Konzept ist noch in Arbeit; die FDP wollte darauf wohl auch Einfluss erlangen."

Positiv bewertet auch die Tageszeitung DIE WELT das FDP-Konzept:

"Keine Frage, das Steuermodell der FDP hat Charme. Wer möchte nicht weniger Steuern zahlen, und das nach einem unkomplizierten, transparenten System? Das FDP-Konzept geht nur auf, wenn die Bundesregierung den Mut zu weitreichenden Einschnitten aufbringt."

Der Vorschlag von Handwerkspräsident Kentzler, Krankheit mit Urlaubstagen zu verrechnen, stößt beim KÖLNER STADTANZEIGER auf deutliche Kritik:

"Die Deutschen haben sich längst von lieb gewonnenen Besitzständen verabschiedet. Sie sind zu Reformen bereit, wenn Ziel und Richtung präzise beschrieben sind. Dieses Einverständnis ist jedoch zerbrechlich. Extreme Forderungen, die im Gewand des Gemeinwohls Einzelinteressen durchzusetzen trachten, untergraben die ethische Begründung des Reformprozesses."

Ganz ähnlich argumentiert die MÄRKISCHE ODERZEITUNG:

"Die Forderungen von Handwerks-Präsident Kentzler, Krankheitstage künftig mit Urlaub zu verrechnen, sind in Zeiten, in denen Arbeitnehmer aus Furcht vor Entlassungen einen so geringen Krankenstand haben wie seit Jahrzehnten nicht mehr, starker Tobak. Gewiss ist es bei Betrieben mit wenigen Beschäftigten ein Riesenproblem, wenn ein Angestellter häufiger langzeitkrank ist. Andererseits schleppen sich gerade in Kleinfirmen, wo es auf jeden ankommt, Mitarbeiter oft noch zur Arbeit, wo sie eigentlich ins Bett gehören."

Abschließend lesen wir in den WESTFÄLISCHEN NACHRICHTEN:

"Der in den vergangenen Jahren deutlich gesunkene Krankenstand lässt vermuten, dass mancher Arbeitnehmer ins Büro oder an die Werkbank geht, obwohl er krank ist. Sicher hat die Konjunkturflaute und die damit gestiegene Angst um den Arbeitsplatz erfreulicherweise auch das 'Blaumachen' am Montag und andere Eskapaden mancher Beschäftigten eingedämmt. Doch, wer dauerhaft krank zur Arbeit erscheint, schadet letztlich auch dem Arbeitgeber, weil er Kollegen mit einer Infektion ansteckt."