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Pressestimmen von Dienstag, 22. Februar 2005

Gerhard M Friese21. Februar 2005

US-Präsident Bush in Europa/ Wahlergebnis in Schleswig-Holstein

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Der Europabesuch von US-Präsident George W.Bush und das überraschende Patt zwischen beiden Lagern bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein bestimmen an diesem Dienstag die Kommentarseiten deutscher Tageszeitungen.

Für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG stellen sich nach dem Besuch Bushs und seine Grundsatzrede in Brüssel zwei Fragen :

"Selbstverständlich wird auch künftig über Methoden und Prioritäten gestritten werden; im Falle Iran steht dem 'Westen' schon ein neuer Test bevor. Aber so brisant der ist, das ist nicht wirklich die entscheidende Frage. Die lautet, ob Amerika wirklich bereit ist, seine Partner angemessen an der Abfassung der atlantischen Agenda zu beteiligen, ihnen also früh Einfluss zuzugestehen. Und: Ob ein Europa, das seine Anliegen berücksichtigt findet, seinerseits bereit ist, die Anliegen Amerikas ernst zu nehmen. Für ein hochmütiges Abwinken dann, wenn Bush von Freiheit und Demokratie als Voraussetzungen für Frieden spricht - mehr sogar: schwärmt, gibt es dann keinen Platz mehr."

Ein positives Fazit des Besuchs in Brüssel zieht auch die Berliner Zeitung DIE WELT:

"George W. Bush wandte sich nicht nur an die Mitglieder der Nato und der EU, sondern warb auch um sie um jeden einzelnen wie um die Gemeinschaft als solche. Allein letzteres geschah nie zuvor. Bisher hat kein US-Präsident die Brüsseler Institutionen als solche besucht. Mit Bushs Visite unterstreicht das Weiße Haus, welche Bedeutung es der Europäischen Union mittlerweile beimisst. Die Zeit unilateraler Gelüste scheint der Vergangenheit anzugehören. Bush ist bestrebt, die europäischen Verbündeten teilhaben zu lassen. Und sie haben Interesse daran."

Skeptisch was einen Neuanfang der transatlantischen Beziehungen angeht ist dagegen die FARNKFURTER RUNDSCHAU:

"Wenn Bush über die Zerwürfnisse zwischen den USA und führenden europäischen Ländern mit der Bemerkung hinweggeht, dass es keine amerikanische oder europäische Strategie gebe, sondern nur eine der Freiheit, zeigt er, wie wenig er begriffen hat... Bush ist mit leeren Händen nach Europa gekommen. Was er will, ist nicht zu übersehen. In Irak schmerzhaft schnell an seine Grenzen geraten, sucht er wieder die Nähe von Partnern, denen er einen Teil der Lasten aufbürden kann. Etwas dafür zu geben scheint er nicht bereit zu sein. Dabei verkennt er, dass die Zeiten vorbei sind, in denen die Europäer sich einfach beugen."

Zum Wahlausgang in Schleswig-Holstein macht die Bremerhavener NORDSEE-ZEITUNG eine einfache Rechnung auf:

"Will die SPD das tatsächlich durchziehen? Fest steht erstens, sie ist die klare Verliererin der Landtagswahl in Schleswig-Holstein mit minus 4,4 Prozentpunkten. Fest steht zweitens, die rot-grüne Koalition hat ihre Mehrheit im Parlament eingebüßt. Fest steht drittens, die CDU ist die klare Gewinnerin mit plus fünf Prozentpunkten und stärkste Kraft im Landtag. Die eindeutige Botschaft lautet: Die bisherige Regierung ist abgewählt."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER schlägt in die gleiche Kerbe:

"Nonchalant, als wäre nichts gewesen, versucht Ministerpräsidentin Heide Simonis darüber hinwegzugehen, dass ihre Partei die Wahl verloren hat. Das ist vielleicht nicht überraschend, aber enttäuschend allemal. Es ist noch nicht lange her, da war es in dieser Republik gute Sitte, dass man nach der Wahl dem Wahlsieger erst einmal den Vortritt ließ beim Versuch, eine Regierung zu bilden. Es war einmal."

Die in Heidelberg erscheinende RHEIN-NECKAR-ZEITUNG schreibt:

"Für das Land sinnvoll wäre, wenn schon, eine Große Koalition. Aber was mit Blick auf das darin liegende Signal gegen Rot-Grün nicht sein darf, das nicht sein kann. Denn dieser Torpedo liefe direkt weiter nach Düsseldorf. Der Wähler? Der hätte ja für klare Mehrheiten sorgen können. Selber schuld."

Und die LÜBECKER NACHRICHTEN wagen einen Ausblick;

"Und dennoch: Simonis' politische Uhr läuft ab. Das hat sie vor und in den ersten Stunden dieser historischen Wahlnacht selbst vielleicht am besten gespürt. Das alte Feuer lodert nicht mehr, das waren mehr als erste Anzeichen von Resignation, darüber kann auch der Adrenalinstoß des späten Sieges nur vorübergehend hinwegtäuschen. Heide Simonis steht nicht mehr für die Zukunft dieses Landes."