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Pressestimmen von Dienstag, 23. März 2004

zusammengestellt von Barbara Zwirner.22. März 2004

Gezielte Tötung des Hamas-Gründers Jassin

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Herausragendes Kommentarthema in der deutschen Tagespresse ist an diesem Dienstag die gezielte Tötung des Gründers der radikalen Palästinenser-Organisation Hamas, Scheich Ahmed Jassin, durch die israelische Armee.

Die LÜBECKER NACHRICHTEN schreiben:

"Manchmal möchte man wirklich verzweifeln - so perfekt greifen die Räder der Gewalt und Gegengewalt im Nahen Osten ineinander. Ist dieser Teufelskreis überhaupt zu durchbrechen? Kann es Frieden mit einer Organisation geben, in deren Satzung es heißt: 'Jeder Jude und jeder Siedler ist ein Ziel und muss getötet werden'? Man kann verstehen, dass viele Israelis keiner Waffenruhe trauen, die eine solche Gruppe unterschreiben würde. Wie man auch verstehen kann, dass ständige Erniedrigung die palästinensische Wut der Verzweiflung immer aufs Neue anfacht."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München meint:

"Diesmal könnte sich der Regierungschef gleich doppelt verrechnet haben. Denn zum einen wird der Tod Jassins die Hamas nicht schwächen, sondern stärken und weiter radikalisieren. Der alte, sieche Prediger im Rollstuhl war gewiss kein Mann des Ausgleichs. Er war ein Mann des Terrors. Doch trotz Blindheit war er nicht blind für die politischen Realitäten. Mit ihm konnte man zum Beispiel über Waffenstillstände verhandeln. Er galt als Einziger, der seine Organisation noch kontrollieren konnte. Nun ist die Hamas entfesselt."

Die Berliner Zeitung NEUES DEUTSCHLAND merkt an:

"Gewiss, Scheich Ahmed Jassin war kein Friedensengel. Als Kopf der islamistischen Hamas-Bewegung war er ein Gegner von Roadmap- und ähnlichen Verhandlungen. Und er war letztlich auch für zahlreiche blutige Attentate in der unsäglichen Spirale der Nahost-Gewalt verantwortlich. Doch der geistliche Führer der Hamas galt zugleich weit über Palästina hinaus als Symbol des Widerstands gegen die israelische Besatzung. Der Befehl Scharons, ihn gezielt zu töten, konnte nichts anderes bedeuten, als eine große Gallone Öl in das Feuer des Nahostkonflikts zu gießen."

DIE WELT ergänzt:

"Wäre Scheich Jassin auf friedliche Weise aus diesem Leben geschieden, so hätte man ihm von Kairo über Ramallah bis Amman nicht nachgeweint. Sein gewaltsamer Tod aber zwingt auch gemäßigte Palästinenser in falsche Solidarität, macht Gaza zum Hornissennest und wird Israel noch mehr Blut kosten. Der Hamas-Gründer war ein unversöhnlicher Israel-Hasser. Mit ihm konnte es keinen Frieden geben, gegen ihn auch nicht. Es kann allerdings sein, dass es gerade sein gewaltsames Ende ist, das der Hamas im Kampf der palästinensischen Warlords nun die Schlüsselrolle verschafft. Dann sieht es unheilvoll aus für Israel, die Palästinenser, die 'Road-Map' und die ganze Region."

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU lesen wir:

"Israel hat damit kaum etwas gewonnen. Nach der Ausschaltung Yassins ist noch weniger als zuvor damit zu rechnen, dass die palästinensischen Sicherheitsbehörden Arafats auch nur im Ansatz wagen werden, die Hamas zu entwaffnen. Weiteres Chaos in den Autonomie-Gebieten scheint programmiert. Im Machtkampf mit Arafat haben die Islamisten die Nase jetzt noch weiter vorn. Eine rundum ungute Entwicklung, nicht nur weil sie zum endgültigen Kollaps der Autonomie-Regierung führen könnte, der viele keine Träne nachweinen würden. Sondern weil alleine die Hamas in dem Machtvakuum gewinnt."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER kommentiert:

"Wer wollte dem israelischen Staat das Recht absprechen, seine Bürger zu schützen? Wohl ist es gerechtfertigt, ja geboten, den Terrorismus mit Gegenangriffen im Rahmen des internationalen Rechts zu bekämpfen. Aber eine gezielte Tötung ohne vorherige Gerichtsverhandlung liegt außerhalb des Rechts. Das Attentat auf Hamas-Gründer Scheich Ahmed Jassin stellt einen solchen Rechtsverstoß dar; es ist auch dann nicht zu zu billigen, wenn es sich bei Jassin um den Führer einer Organisation handelt, die ihrerseits für zahlreiche Morde verantwortlich ist."

Abschließend ein Blick in die STUTTGARTER ZEITUNG:

"Gewalt erzeugt Gewalt. Hass gebiert Hass. Mitleid mit Scheich Ahmed ist fehl am Platz. An seinen Händen klebt das Blut hunderter von unschuldigen israelischen Kindern, Männern und Frauen. Er hat die Selbstmordattentäter losgeschickt. Der von den Israeli getötete Scheich war der geistige Kopf des blutigen Kampfes gegen Israel. Noch vor kurzem hat er vorausgesagt, dass auf jeden toten Führer der Hamas zehn neue dazukommen. Da hat er wohl Recht."