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Pressestimmen von Dienstag, 24. Februar 2004

die Redaktion hatte Reinhard Kleber.23. Februar 2004

Türkei-Besuch des Bundeskanzlers/ Anhörung zum israelischen Sperrwall/ Sieg der Konservativen bei iranischer Parlamentswahl

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Der Türkei-Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Debatte über einen türkischen EU-Beitritt stehen im Mittelpunkt der Kommentare der deutschen Zeitungen. Außerdem werden die Anhörung zum israelischen Sperrwall vor dem Internationalen Gerichtshof und das Wahlergebnis im Iran aufgegriffen.

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU lesen wir zur Kanzlerreise:

"Eine Woche nach Angela Merkels hinhaltend-abwehrendem Auftritt bekannte sich Schröder in Ankara unzweideutig zur EU-Perspektive der Türken. Dass die innenpolitischen Fortschritte Ankaras sicher ausreichen werden zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, hat Schröder zwar so ganz wörtlich nicht gesagt. Er hat es trotz einiger Wenn-dann-Sätze aber gemeint. Er hat Berliner Entschiedenheit signalisiert. Und es ist die richtige Grundentscheidung, trotz aller offenen Fragen zur mittelfristigen Entwicklung der Demokratie in der Türkei, zur tatsächlichen Umsetzung der Gesetzeskorrekturen in Staat und Gesellschaft und erst recht zu den nationalen Motiven von Premier Erdogan."

Dagegen hebt die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock die innenpolitischen Aspekte der Debatte hervor:

"Dass rot-grüne Regierung wie schwarz-gelbe Opposition auf den Nebenkriegsschauplatz einer möglichen EU-Mitgliedschaft der Türkei in vielleicht zehn oder 15 Jahren ausweichen, hat auch wahltaktische und ideologische Gründe. Union und Liberale wollen offenbar dort Stimmen abholen, wo antitürkische und antimuslimische Vorurteile fest verankert sind. Schröder, Fischer und Co. glauben, ein Thema gefunden zu haben, bei dem sie den Schwarzen so richtig eins auswischen können. Allerdings ist die Frage noch unentschieden, was mehr Stimmen bringt: Ankara die Tür vor der Nase zuzuschlagen oder eine EU-Perspektive zu eröffnen."

Den juristischen Streit um die israelische Sperranlage kommentiert die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG folgendermaßen:

"Bei so viel Blindheit der Konfliktparteien darf in Den Haag von einer Justitia, der die Hände gebunden sind, nicht allzu viel erwartet werden. Der Internationale Gerichtshof kann bestenfalls ein nicht bindendes Gutachten erstellen. Die Richter also können nicht richten, was die Politiker versäumen. Der blockierte Friedensprozess ist auf ein juristisches Nebengleis gefahren worden. In den Vereinigten Staaten und in Europa aber, wo man sich gern des eigenen Einsatzes für den nahöstlichen Frieden rühmt, sieht man weiter tatenlos zu, wie die Israelis bauen und die Palästinenser bomben."

Auch die FREIE PRESSE aus Chemnitz beurteilt die Aussichten einer Annäherung im Nahost-Konflikt skeptisch:

"Voraussetzung wäre, dass beide Seiten tatsächlich willens sind, einer politischen Lösung - mit bei solchen Kompromissen logischen schmerzhaften Zugeständnissen - zuzustimmen. Doch davon sind die Beteiligten weit entfernt, denn sie fürchten ihren politischen Untergang. Auf die USA und ihre Vermittlerrolle zu hoffen, bleibt angesichts der kommenden Präsidentschaftswahlen wohl ein Wunschtraum. Die Europäer mühen sich redlich, haben aber nicht den entsprechenden Einfluss. Jetzt sollen es also die Richter richten."

Themenwechsel: Im Iran haben die Konservativen erwartungsgemäß die Wahl klar gewonnen. Die BERLINER ZEITUNG meint dazu:

"Einige erwarten jetzt eine iranische Variante des chinesischen Modells oder eine 'gelenkte Demokratie' wie in Putins Russland: relative Freiheit in den privaten Nischen, aber strikte politisch-ideologische Kontrolle und Repressionen im öffentlichen Raum. Eine Anlehnung an diese Vorbilder scheint auch für die internationalen Beziehungen Irans wahrscheinlich."

Zuversichtlicher gibt sich demgegenüber die TAGESPOST aus Würzburg:

"Die Kinder der Khomeini-Revolution sind noch zu jung, um die politische Macht zu ergreifen, und der Weg zu einem freiheitlichen Verfassungsstaat ist noch lang. Doch die Saat einer gut ausgebildeten und kritischen iranischen Elite während der Chatami-Jahre wird eines Tages aufgehen. Von ihr kann eine Dynamik auf die regionale muslimische Welt ausstrahlen, welche einst die despotischen, patriarchalischen und nationalistischen Traditionen des Islam in Frage stellen will."