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Pressestimmen von Dienstag, 24. September 2002

Christina Pannhausen. 23. September 2002

Bundestagswahl

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich an diesem Dienstag schwerpunktmäßig mit dem Wahlsieg der rot-grünen Koalition.

Die BERLINER ZEITUNG konstatiert:

"Der Wahlerfolg ist für die neue Koalition keine Belohnung. Er ist ausschließlich eine Anforderung an die Zukunft. Die Sozialdemokraten brauchen neue, durchsetzungsfähige Minister in den Kernbereichen Bildung, Gesundheit, Arbeitsmarkt. Schon an der Besetzung der Ministerien wird man ablesen können, wie ernst es der neuen Koalition mit den Reformen ist. Ganz oben auf der Liste muss stehen, den außenpolitischen Schaden, der durch Schröders scharfe, vom Wahlkampf dominierten Töne in der Irak-Debatte angerichtet wurde, zu heilen. Schröder sollte dies seinem Außenminister Joschka Fischer überlassen. Der kann das besser."

Auch die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht in dem Wahlerfolg von Rot-Grün keinen Grund zum Feiern:

"Der neuen Regierung bleiben die alten Probleme. Die Politik wird keinen Wirtschaftsaufschwung bewirken können. Dem Land geht es zwar nicht so schlecht, wie Stoiber behauptet hat. Aber es geht ihm schlecht genug, dass Schröder seine Kommissionspolitik endlich in Reformen umsetzen muss. Andererseits müssen Schröder und Fischer bald die hausgemachte Krise im deutsch-amerikanischen Verhältnis bereinigen. Wenn Bushs halbes Kabinett und fast die gesamte US-Presse über Berlin herziehen, mag Schröder hundert Mal behaupten, es gebe keine Krise. Ein Canossa-Gang ist angesagt. Diesmal liegt Canossa nicht jenseits der Alpen, sonder sieben Flugstunden entfernt jenseits des Atlantiks."

Die STUTTGARTER ZEITUNG geht auf die innenpolitischen Herausforderungen ein:

"Das Wachstum tendiert gegen Null, die Ölpreise ziehen kräftig an, der erhoffte Aufschwung verzögert sich immer weiter, und die Erwartungen an die Konjunkturerholung im nächsten Jahr sind äußerst bescheiden. Das heißt: Die ohnehin viel zu hohen Arbeitslosenzahlen werden im Winter deutlich steigen, die Sozialkosten werden entsprechend zunehmen, der Etat gerät aus den Fugen. Weder kurzfristig noch mittelfristig ist eine Besserung abzusehen - es sei denn, die neue Regierung brächte die Kraft auf, einschneidende Reformen durchzusetzen. Den Wahlkampf hat Schröder mit der Parole geführt 'Weiter so'. Will er erfolgreich sein, kann er es dabei nicht belassen."


Die FRANKFURTER ALLGEMEINE resümiert Schröders Wahlerfolg so:

"Des Kanzlers feiner Sinn für die Macht hat auch am Wahlabend nicht getrogen. Seine Koalition werde am Ende 'die Nase vorn haben', sagte Schröder, als die Union schon den Wahhlsieg feierte. Auch in den letzten Wochen vor der Wahl hatte Schröder nicht den Eindruck vermittelt, er könne an etwas anderes glauben als an sich und den Erfolg. Selbst als es im Sommer schlecht um seine Partei stand, hat Schröder noch auf eine wundersame Chance gesetzt, die ihm mit der Flut und 'Krieg' gleich zweifach beschert wurde. Dem Verbleiben im Amt ordnete er dann entschlossen alles unter, auch das Ansehen Deutschlands. Weiter als jeder Bundeskanzler vor ihm überschritt Schröder die Grenze zum Populismus."

Die FREIE PRESSE aus Chemnitz beleuchtet mögliche Konsequenzen des Wahlausgangs für die neuen Bundesländer:

"Die Ostdeutschen haben sich einen neuen Interessenvertreter gesucht und ihre Stimme vor allem den Sozialdemokraten gegeben. Das ist nicht nur bitter für die PDS, sondern muss auch die Christdemokraten nachdenklich stimmen. Die CDU hat es nicht geschafft, glaubhaft zu vermitteln, die besseren Rezepte für den ins Stocken geratenen Aufbau Ost zu haben. Für beide Volksparteien ist mit dem Verschwinden der PDS-Bundestagsfraktion die Verantwortung für die neuen Länder erheblich größer geworden. Die Linkssozialisten waren die einzigen Abgeordneten im Parlament, die ohne Rücksicht auf westdeutsche Interessen Forderungen für die neuen Länder im Bundestag erheben konnten. Soviel scheint sicher zu sein: Der Osten wird künftig in den Bundestagsdebatten eine geringe Rolle spielen."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG meint abschließend:

"So lange es dauerte, bis der Regierungschef feststand, so schnell war der Verlierer der Wahl auszumachen: Es ist die PDS. Sie wird im Bundestag nur noch durch zwei Abgeordnete mit eingeschränkten Möglichkeiten vertreten sein. Damit fehlt ihr die wichtige bundespolitische Bühne. Hinzu kommt: Ein Ergebnis um die vier Prozent macht deutlich, dass der Sozialismus in seiner demokratischen Version eine Ideologie ohne gesamtdeutsche Perspektive ist."