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Pressestimmen von Dienstag, 27. August 2002

zusammengestellt von Frank Gerstenberg27. August 2002

Das TV-Duell zwischen Schröder und Stoiber

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Beherrschendes Thema in den Kommentarspalten der deutschen Tageszeitungen ist das Fernsehduell zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Unionskandidat Edmund Stoiber.

Die in Berlin erscheinende WELT sieht dabei den bayerischen Ministerpräsidenten in der Rolle des Siegers:

"Die SPD hat ihren Joker Gerhard Schröder gesetzt - und er hat nicht gestochen. Der Kanzler hat sich ausgerechnet dort entzaubert, wo er traumwandlerisch sicher schien, vor der Fernsehkamera: Nicht nur weil Stoiber sich überraschend gut geschlagen hat und Schröder erstaunlich matt und lustlos wirkte, sondern weil der Kanzler jenes Gesetz der Serie durchbrochen hat, die den Sozialdemokraten in den letzten Wochen so auffällig günstig erschien. Der Kanzler hätte es in der Hand gehabt, den Trend zu wenden und den glücklichen Lauf für seine Partei mit einem überzeugenden Auftritt zu krönen. Genau das ist ihm nicht gelungen. Fortan wird es in diesem Wahlkampf um Realitäten gehen, um schlechte Bilanzen und bessere Konzepte. Der Kanzler wird sich an seiner Politik messen lassen müssen. Die Zeiten der Beschwörung sind vorbei."


Die WESTDEUTSCHE ZEITUNG aus Düsseldorf geht auf die Spielregeln des ersten Fernsehduells zwischen einem deutschen Bundeskanzler und seinem Herausforderer ein:

"Das enge Korsett, in das Schröder und Stoiber sich hatten stecken lassen, ließ keinen echten Austausch von Meinungen zu. Doch Stoiber wäre schlecht beraten, sich auf die von der SPD geforderte Regeländerung beim 'Rückspiel' am 8. September einzulassen. Das wäre zwar für den Zuschauer ergiebiger, doch der Kandidat sähe im direkten Gespräch mit dem schlagfertigen Kanzler wohl deutlich schlechter aus. Trotzdem sollte jedenfalls von der journalistischen Seite her mehr für Spontaneität gesorgt werden - eine Chance für das weibliche Moderatorenteam der öffentlich-rechtlichen Sender."


Für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat das Streitgespräch weniger politische Erhellung denn politisches Bewusstsein gebracht:

"Das Ergebnis dieses Medien-Hypes, bei dem das schiere Ereignis zur Sensation stilisiert wurde, ist unterm Strich enttäuschend. Es kann bei den vielen Millionen an den Fernsehern nicht ersthaft über die Wahlabsichten entschieden haben. Im äußersten Fall wurden Neigungen be- und verstärkt. Und beklommen fragt mach sich, was denn bloß beim nächsten Mal noch sein soll, wenn das Ereignis für sich genommen keinen Neuigkeitswert mehr hat. Das Positive an diesem gescheiterten Experiment einer medial heißgelaufenen Republik liegt vielleicht gerade in diesem Scheitern. Womöglich liegt in ihm eine Chance für die Wiedergeburt des Primär-Politischen aus der Enttäuschung über diese Art von Sekundär-Politik."

Anderer Meinung ist das in Düsseldorf erscheinende HANDELSBLATT:

"Sendungen wie das Kanzlerduell zeigen, dass man Politik im Wahlkampf durchaus in angemessener Form als 'Event' rüberbringen kann. Und noch etwas hat die Premiere dieses amerikanischen Formats im deutschen Fernsehen gezeigt: Der Sieger des Duells stand keineswegs bereits vorher fest, wie die Anhänger des Medienstars Schröder gehofft und seine Gegner heimlich gefürchtet hatten. Stoiber schlug sich nicht nur redlich, wie selbst führende Sozialdemokraten einräumen mussten. Der CDU/CSU-Kandidat diskutierte angriffslustiger und vor allem inhaltlich besser vorbereitet als der Kanzler. So gab es in der Sendung also doch eine Überraschung - was man von den meisten Unterhaltungssendungen und Magazinen im Fernsehen nicht behaupten kann. Mit einem Wort: da capo."

Und die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam zieht folgendes Resümee:

"Abseits aller Überzeichnungen und demoskopischen Schnellschüsse, bei denen sich seriöse Wirkungshypothesen von vornherein verbieten, bleibt für Edmund Stoiber auf der inhaltlichen Strecke dieses TV-Zweikampfs ein Gewinn, der für den Fortgang des Wahlkampfs nicht unerheblich ist. Die Hochwasserkatastrophe und das Krisenmanagement Gerhard Schröders spielten zwar eine Rolle, dominierten aber nicht. Das zuvor alles beherrschende Thema hatte jedenfalls nicht mehr Gewicht als die Fragen nach Schröders Regierungsbilanz. Der Nutzen des Duells lag nicht darin, wer in diesem Schaukampf sympathischer oder kompetenter auftrat. Verdienstvoll war vielmehr, dass es die Aufmerksamkeit der Wähler auf die Kernprobleme Arbeitslosigkeit und fehlendes Wirtschaftswachstum zurückgelenkt hat."