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Pressestimmen von Dienstag, 27. November 2001

26. November 2001

Klonen eines menschlichen Embryos durch US-Wissenschaftler / Afghanistan-Konferenz bei Bonn

https://p.dw.com/p/1Pq4

Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse befassen sich hauptsächlich mit dem Klonen eines menschlichen Embryos durch amerikanische Wissenschaftler. Außerdem wird nochmals auf die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn eingegangen.

Zum Klon-Experiment schreibt der BERLINER KURIER:

"Es kam, wie es kommen musste. Vom Klonschaf Dolly war es nicht weit zum geklonten Menschen. US-Wissenschaftler haben nun den nächsten Schritt getan, am Embryo geforscht. Sie haben eine Tür aufgestoßen, hinter die wir nicht blicken wollten. Der vervielfältigte Mensch ist keine Utopie mehr. Er ist nur noch einen kleinen Schritt entfernt. "Albtraum", "unverantwortlich", "verwerflich" - die Schreie der Empörung scheinen ein wenig heuchlerisch. Wissenschaftler hielten das Experiment für möglich. Sie haben es durchgeführt."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU stellt fest:

"Das Klonen in den USA legt offen: die Gewinnung von Stammzellen ist logisch vom Töten von Embryonen nicht zu trennen. Darüber können auch gegenteilige Bekundungen interessierter deutscher Forscher nicht hinwegtäuschen. Auch hier zu Lande mehren sich die Stimmen derer, die mit Embryonen forschen wollen. Diesen Zusammenhang kann jetzt nur noch die Politik entkoppeln. Der Selbstkontrolle der Forscher darf dies alles nicht überlassen werden."

Die NEUE WESTFÄLISCHE in Bielefeld meint:

"Das Vorgehen der Amerikaner macht deutlich, dass die Arbeit mit embryonalen Stammzellen nur unter strengen Auflagen und unter strikter öffentlicher Kontrolle ethisch verantwortbar ist. Zugleich ist es eine Mahnung an die Vereinten Nationen und alle Staaten, das Klonen von Menschen oder menschlichen Zellen, egal, mit welchem Ziel, eindeutig zu verbieten und die Einhaltung des Verbots zu überwachen.
Es ist kein Anlass, die Forschung an embryonalen Stammzellen völlig zu verbieten und damit Millionen von Kranken die Hoffnung auf Linderung ihrer Leiden zu nehmen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG fordert:

"Es ist an den einzelnen Gesellschaften und ihren Staaten, die Grenzen festzulegen und die Menschen vor den Menschen zu beschützen. Das ist nichts Außergewöhnliches, sondern Alltägliches. Das ist auch nicht an sich forschungsfeindlich, sondern notwendig, wie die Wissenschaftsgeschichte zeigt, die sonst noch "reicher" wäre an perversen Experimenten mit Geborenen."

Die EßLINGER ZEITUNG sieht es so:

"Jedes Mal wenn wieder irgendwo der Bruch eines Tabus öffentlich wird, melden sich empörte Politiker, Moraltheologen und Wissenschaftler zu Wort, für die Ethik und Verantwortung noch keine Fremdwörter sind. Geändert aber, etwa im Sinn international verbindlicher Abmachungen, hat sich nie etwas. Man muss nicht den Vergleich mit Frankensteins homunculus ziehen. Unverkennbar aber ist, dass Normen und Werte wie Dominosteine kippen, wenn die Weltöffentlichkeit verantwortungslosen Wissenschaftlern nicht auf die Finger klopft und sagt: Bis hierher und nicht weiter."

Themenwechsel. Mit dem Afghanistan-Konflikt beschäftigt sich die MÄRKISCHE ALLGEMEINE in Potsdam. Zitat:

"Mit dem Einsatz von US-Bodentruppen ist der Krieg in Afghanistan in eine neue, vielleicht entscheidende Phase getreten...
Bei allem Misstrauen, mit dem man der vorrückenden Nordallianz begegnen sollte, ist die Beseitigung des menschenverachtenden Taliban-Regimes eine Erleichterung für die Bevölkerung. Und wenn Vertreter verschiedener afghanischer Volksgruppen bei Bonn auf dem Petersberg über die friedliche Zukunft ihrer Heimat verhandeln, dann bedeutet dies - unabhängig vom konkreten Ergebnis der Konferenz - zumindest die Chance für einen Neuanfang. Ohne den Einsatz militärischer Gewalt hätte es diese Chance für das zerrissene Land am Hindukusch nicht gegeben."

Abschließend noch das OFFENBURGER TAGEBLATT, das zu bedenken gibt:

"Die afghanische Kultur hat mit unserer westlichen nichts zu tun. Deshalb müssen bei der Konferenz andere Maßstäbe angelegt werden als die unsrigen. Ansonsten hat es für die arabische Welt wieder den Anschein, als stülpe der Westen einem islamisch geprägten Land die christliche Weltordnung über. Dieser Eindruck wäre fatal. Denn so gäbe man den Bin-Laden-Anhängern neue Argumentationshilfen für ihre
terroristischen Aktivitäten. In Bonn muss es einzig und allein darum gehen, die vielfältigen Interessen in Afghanistan an einen Tisch zu bringen, um den Bürgerkrieg zu verhindern - aber zu den Bedingungen der Afghanen.