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Pressestimmen von Dienstag, 27. September 2005

Arian Fariborz 26. September 2005

Tauziehen um große Koalition / Wahl in Polen

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Die Kommentatoren der führenden deutschen Tageszeitungen beschäftigen sich an diesem Dienstag erneut mit den Perspektiven für eine große Koalition in Berlin und den verhärteten Fronten zwischen SPD und CDU in der Kanzlerfrage. Ein weiteres Thema ist auch der deutliche Wahlsieg der konservativen Parteien bei den Parlamentswahlen in Polen.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München bewertet die Handlungsfähigkeit einer möglichen großen Koalition in Berlin durchaus positiv:

"Auch eine große Koalition vermag mehr zu bewegen, als sich jetzt viele vorstellen können. Schließlich würde ein Großbündnis nur jenes von SPD und Union getragene Machtgefüge institutionalisieren, das es seit fünf Jahren in Bundestag und Bundesrat gibt. Politische Entscheidungsprozesse würden aus der Dunkelkammer des Vermittlungsausschusses heraus- und ins Kabinett und ins Parlament hineingeholt. Unabhängig von der Frage, wer ins Kanzleramt einzieht, könnte solch ein Bündnis auf viele Gemeinsamkeiten bauen - und, gestützt auf eine breite Mehrheit, jene Reformpolitik fortsetzen."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG kommentiert die Rolle der SPD im Machtpoker ums Kanzleramt:

"Auch ein unerwartetes Wahlergebnis ist kein Grund, die Regeln für die Bildung von Regierungskoalitionen außer Kraft zu setzen. Die stärkere Kraft stellt den Kanzler, und wer das ist, bestimmt die stärkere Kraft. CDU und CSU haben ihren Willen in erfreulicher Einstimmigkeit bekundet. Die üblichen Hintergedanken mußten bisher Hintergedanken bleiben. (...) Frau Merkel hat ihre Bedingungen für Koalitionsverhandlungen genannt. Nun muß die SPD mit sich selbst ins reine kommen. Das Land steht vor solch riesigen Aufgaben, daß es auch gute Verlierer braucht. Union und SPD müssen nun aus dem Wahlergebnis das Beste machen: eine handlungsfähige Regierung."

Auch das HAMBURGER ABENDBLATT kommt zu einem negativen Fazit, was die Strategie der SPD in der Kanzler-Frage angeht:

"Der Kanzler markiert in klarer Verkennung der Realität den dicken Maxe und wird von der SPD dabei auch noch angefeuert. Natürlich kann Angela Merkel mit mehr Recht als Schröder die Kanzlerschaft für sich beanspruchen. Denn die Union ist im Bundestag künftig stärker als die SPD. Daß Merkel und die Union aber vorsätzlich ausblenden, daß ihr Wahlergebnis einem Debakel gleichkommt, ist kaum weniger armselig als die Mißachtung demokratischer Grundregeln durch die SPD. Spätestens nach der Nachwahl in Dresden am Sonntag sollten sich alle endlich ernsthaft den Fakten stellen."

Und wir blicken ins Ausland: Nach dem Machtwechsel in Warschau beleuchtet der Berliner TAGESSPIEGEL den Wahlerfolg der Konservativen und die möglichen Auswirkungen auf das deutsch-polnische Verhältnis:

"Polen wird seine Ziele offensiver vertreten - erst recht nach Kanzler Schröders Pipeline-Deal mit Wladimir Putin unter gezielter Umgehung Polens. Deutschland ist der wichtigste Partner, im Handel und in Europa, doch Polen kompensiert seine Ängste und seine politische wie ökonomische Unterlegenheit mit starken Worten. Wenn Berlin verständnisvoll damit umgeht, behält die Hymne Recht: Noch ist Polen nicht verloren, nicht für Deutschland und nicht für Europa."

Wesentlich skeptischer dagegen der MANNHEIMER MORGEN:

"Auf den ersten Blick mögen die feinen Verästelungen der polnischen Innenpolitik für die deutsche Interessenlage von geringerer Bedeutung sein. Unglücklicherweise setzen die Nationalkonservativen aber auch in der Außenpolitik bemerkenswerte Akzente. Hier machen vor allem die Kaczynski-Zwillingsbrüder Krawall. Jaroslaw, der jetzt als Ministerpräsident gehandelt wird, forderte unlängst von den Deutschen Kriegsreparationen. Gemeinsam mit Bruder Lech, der in zwei Wochen Präsident werden will, kündigte er im Wahlkampf eine neue Deutschlandpolitik an. Dazu passt, dass die Kaczynskis ebenso die Russen aufs Korn nehmen. Dass sie von der EU nichts halten, versteht sich eigentlich von selbst."

Und abschließend lesen wir in den DRESDNER NEUESTE NACHRICHTEN:

"Gehen die Rezepte der beiden künftigen Warschauer Regierungsparteien für Aufschwung und Sozialpolitik noch auseinander, so sind sie sich bei der Außenpolitik ziemlich nahe. Beide wollen einen härteren Kurs gegenüber Deutschland, Russland und der Europäischen Union einschlagen. Von der Weichsel wird also ein kühlerer Wind wehen."