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Pressestimmen von Dienstag, 30. September 2003

30. September 2003

SPD-Richtungsstreit / Postbank-Börsengang

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Die Kommentatoren deutscher Tageszeitungen befassen sich in den Dienstags-Ausgaben vor allem mit dem Reformstreit innerhalb der SPD.

"Es geht schon längst nicht mehr darum, eine Idee, eine Vorstellung, eine Richtung -geschweige denn eine sozialdemokratische- durchzusetzen", meint die BERLINER ZEITUNG.

"Vielmehr gilt nunmehr als richtig, was sich durchsetzen lässt. Wenn das Pragmatismus sein soll -wie einige wenige noch immer behaupten-, dann ist Planlosigkeit in Zukunft ein Synonym für Strategie - und Chaos nur ein anderes Wort für Ordnung. Nicht der dramatische Verfall der Wählersympathien ist das Kardinalproblem der SPD, sondern der Zusammenbruch des Respekts, den die Partei noch vor kurzer Zeit vor sich selbst und ihrer Geschichte empfand."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER schreibt:

"Auch aus Sicht führender SPD-Mitglieder ist die Regierungsarbeit sprunghaft und nicht berechenbar. Der ständige Wankelmut hängt eng mit Schröders Regierungsstil zusammen, der sich am 'Versuch-und- Irrtum'-Prinzip orientiert: Wenn ein Vorhaben den Alltagstest nicht besteht, wird es zurückgezogen und durch ein anderes ersetzt. Ein wachsendes Manko stellt aber auch die Vermittlung der Vorhaben gegenüber der Bevölkerung dar. Auf Dauer lässt sich deshalb die SPD-Basis mit Rücktrittsdrohungen gewiss nicht ruhig stellen."

Mitleid mit den Sozialdemokraten empfindet die SAARBRÜCKER ZEITUNG:

"Arme Sozialdemokraten. Viele von ihnen müssen zurückstecken, inhaltlich und ideologisch. Anders lässt sich die Republik eben nicht reformieren. Es gibt dieses Einsehen. Nur geht es den Genossen so wie den meisten Bürgern ohne SPD-Parteibuch: Opfer ja, aber bitte mit Konzept und der Perspektive eines Aufbruchs. In der gesamten sozialdemokratischen Auseinandersetzung der vergangenen Tage und Wochen ist jedoch genau dieser Aspekt völlig aus den Augen verloren worden."

Mit dem innerparteilichen Richtungsstrit in der SPD beschäftigt sich auch das Kölner Boulevard-Blatt EXPRESS:

"Es ist so gekommen, wie es viele befürchtet haben. Nach der Sommerpause ist vom rot-grünen Reformglanz nichts mehr übriggeblieben. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Rot-Grün und der Kanzler sind in erster Linie in der Pflicht. Wenn sie mit ihren Reformen scheitern sollten, gibt es eigentlich nur den von Grünen-Chef Bütikofer bereits offen ausgesprochenen Ausweg aus dem Reform-Dilemma: Neuwahlen."

Und die ABENDZEITUNG aus München kommentiert:

"Auf Linie bringen lassen sich selbstbewusste Menschen -und das sind Bundestagsabgeordnete allemal- am liebsten von Führern mit Visionen. Wenn der Chef aber nicht in der Lage ist zu erklären, wohin die Reise geht, dann nützen sich Drohgebärden schnell ab. Sie hinterlassen Verletzungen und den Wunsch, es dem übermächtigen Chef heimzuzahlen. Bei den Reformen ist Schröder auf eine Basis angewiesen, bei der er sich immer unbeliebter gemacht hat in letzter Zeit. Und die Opposition hat nicht wirklich die Absicht, ihm zu helfen."

Genau das glaubt auch die MÄRKISCHE ODERZEITUNG und übt heftige Kritik an den Unions-Parteien:

"Das Durcheinander in der Union ist eine Folge ihrer eigenen komplizierten Strategie, sich einerseits Schröders Reformen -auch auf Druck der Wirtschaft- nicht zu verweigern, andererseits aber alles zu befördern, was den Konflikt in der SPD mit deren Partei- Linken befördert. Wie ein Staubsauger haben CDU und CSU den Frust der vielen Enttäuschten über Rot-Grün aufgesaugt. Den schönen Wahlergebnissen zum Trotz - die derzeitige Politik der Union spiegelt ihre ganze Widersprüchlichkeit."

Zum Abschluss dieser Presseschau noch ein anderes Thema: Die FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND beleuchtet die Ankündigung der Deutschen Post, ihre hochprofitable Tochter Postbank voraussichtlich im Herbst 2004 an die Börse zu bringen.

"Wenn der Börsengang gut läuft, könnte das am Markt als Wendepunkt gesehen werden. Die Börse wäre endlich wieder eine heitere Veranstaltung. Vor allen könnte sie ihre Finanzierungsfunktion wieder wahrnehmen. Daran hapert es, seitdem der Aktienmarkt im Jahr 2000 nach unten wegkippte. In Deutschland hat die Emissionsflaute bis heute angehalten. Noch ist der Börsengang der Postbank aber nur ein guter Plan. Wenn er Wirklichkeit wird, bleibt noch viel Gelegenheit, das wiedergewonnene Vergnügen zu bejubeln."

Zusammengestellt von Christian Walz.