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Pressestimmen von Dienstag, 5. Juli 2005

Siegfried Scheithauer4. Juli 2005

Wahlmanifeste und -konzepte von SPD und Union

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Die Wahlprogramme der Parteien für die erwartete Bundestagswahl gewinnen an Kontur: Ein willkommener Anlass für die Leitartikler der deutschen Tagespresse, sich einzumischen in die Debatte über Traumbilder und Realitäten, Wünschenswertes und Machbares.

Der NORDBAYERISCHE KURIER aus Bayreuth beschreibt die neue Ausrichtung der SPD in ihrem Wahlmanifest:

"Die Sozialdemokraten wollen sich nicht mit einer Rolle rückwärts von der Agenda 2010 verabschieden. Doch die WASG im Genick und die hohen Umfragewerte von Schwarz-Gelb vor Augen reicht ein einfaches, 'Weiter so' nicht aus. Elterngeld, Bürgerversicherung und die Reichensteuer sollen sozialdemokratisches Profil zurück holen. Gleichzeitig ist die Partei weiterhin krampfhaft bemüht, in der politischen Mitte stärker Fuß zu fassen. Ein Spagat, der schnell zur Überdehnung führt."

Die Berliner TAGESZEITUNG, kurz "taz" sieht es so:

"Das Wahlprogramm der SPD versucht, die Linkskurve zu kriegen. Allerdings verfangen sich die Autoren in einem Widerspruch. Denn das Führungspersonal der Partei setzt im Wahlkampf zugleich auf Kontinuität bei der Agenda 2010. Damit verweigert sich die SPD auch jetzt der Einsicht, dass die Hartz-Reformen elementaren Anforderungen der Gerechtigkeit widersprechen und ihr proklamiertes Ziel nicht erreichen werden. (...) Der Rekurs im Wahlprogramm auf Solidarität und soziale Gerechtigkeit bleibt deshalb äußerlich."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt an der Oder bringt es auf folgenden Punkt:

"Es grenzt an Schizophrenie: Da betont der Kanzler als Spitzenkandidat, keine Abkehr vom harten Kurs der Agenda 2010 zulassen zu wollen und lobt zugleich das in eine andere Richtung weisende Wahlprogramm. Grotesk. (...) Völlig losgelöst davon, dass diejenigen, die im Anzapfen der Reichen das richtige Rezept sehen, im Zweifel eher das Linksbündnis WASG/PDS - mit hin das Original - wählen und n i c h t die SPD."

Aufmerksam verglichen werden die Konzepte der großen Parteien in der Steuerpolitik. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG ist dabei voll des Lobes für die SPD-Forderung nach einer Zusatzabgabe für Spitzenverdiener:

"Es geht um Steuern, die der Sozialstaat dringlichst braucht. Die Häme, die über der Reichtumssteuer ausgeschüttet wird (die SPD gibt ihr jetzt verschämt andere Namen), ist töricht. Nicht nur die SPD, auch die Union muss weiter darüber nachdenken, wie Spitzen- reichtum abgeschöpft werden kann. Das ist nicht 'links', sondern vernünftig. 'Eigentum verpflichtet', steht im Grundgesetz. Die Realität in Deutschland hat bisher diesen Verfassungssatz Lügen gestraft." Bei der Union hat insbesondere das Festhalten an der rot-grünen Ökosteuer für Aufsehen gesorgt.

Die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera kommentiert:

"Ein glaubwürdiges, durchgerechnetes Konzept, was eine konservativ geführte Bundesregierung mit den zusätzlichen Steuermilliarden anfangen will, steht noch aus. Die von Angela Merkel propagierte Politik aus einem Guss ist selbst mit viel Wohlwollen noch nicht erkennbar. Interessant ist, wie sich die Christdemokraten zur Ökosteuer positioniert haben: Die soll bleiben obgleich CDU und FDP seit der Einführung 1999 nicht müde wurden zu betonen, dass das Rasen für die Rente keinen Sinn mache, sozial ungerecht und umweltpolitisch verfehlt sei. Das kleine Beispiel macht deutlich: Zwischen wohlfeilen Worten und machbaren Taten klaffen bei der Union noch immer Welten."

Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG bemerkt bissig:

"Jahrelang galt sie als 'Teufelszeug' - trotzdem wollen die Christdemokraten jetzt an der Ökosteuer festhalten. Den Machtwechsel vor Augen können sie sich der normativen Kraft des Faktischen - sprich: leere Kassen - nicht länger entziehen. Und so wird plötzlich der Wert einer Steuer erkannt, die noch im Wahlprogramm der Union von 2002 'als wirtschaftlich verfehlt, ökologisch kontraproduktiv und sozial ungerecht' diffamiert wurde."

Und die KIELER NACHRICHTEN meinen voller Hohn zur Gemütslage der Union:

"Zu beobachten ist eine Partei der Zweifler und Nörgler, der Bedenkenträger und Trübsal-Bläser. Gefährden zwei Prozent mehr bei der Mehrwertsteuer den Wahlsieg? Oder drei Prozent weniger Spitzensteuer? (...) Man fragt sich ängstlich: Wie kann ein überzeugendes Konzept entstehen, wo so viel Kleingeist herrscht."