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Pressestimmen von Dienstag, 6. Dezember 2005

Gerhard M Friese 5. Dezember 2005

Wahlkampfanalyse der CDU / CIA-Flüge über Europa

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Die Wahlkampfanalyse der CDU und die mutmaßlich illegalen Flüge der CIA mit Terrorverdächtigen über Europa sind an diesem Dienstag die zentralen Themen der Kommentare deutscher Tageszeitungen.

Fast drei Monate hat sich die CDU Zeit genommen, ihr schlechtes Abschneiden bei der Bundestagswahl zu analysieren. Nun hat die entscheidende Sitzung des Bundesvorstandes stattgefunden und Parteichefin und Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Position bestätigt. Dazu schreibt die BERLINER ZEITUNG:

"Für Angela Merkel hat sich somit die Debatte um das Wahlergebnis erledigt: Sie weiß, dass sie nie mehr an der Fähigkeit gemessen wird, als Oppositionschefin in den Wahlkampf zu ziehen. Jetzt, wo sie Kanzlerin ist, werden es ihre Leistungen und Versäumnisse im Regieren sein, über die der Wähler mit seiner Stimme urteilt. Es spricht einiges dafür, dass die entschlossene, intelligente und machtbewusste Ex-Ministerin Merkel diese Probe besser besteht als den Wahlkampf."

Die CHEMNITZER FREIE PRESSE bemerkt mit Blick auf die angekündigten Konsequenzen:

"Die CDU-Chefin sollte auf keinen Fall den Fehler begehen und von ihrem vor der Wahl eingeschlagenen Kurs der Ehrlichkeit abweichen. Wenn diese Strategie, so scheint es zumindest, sich für die Christdemokraten bei der Bundestagswahl noch nicht ausgezahlt hat, richtig bleibt sie allemal. Anders lässt sich verloren gegangenes Vertrauen in der Bevölkerung nicht wieder zurückgewinnen."

Ähnlich die NEUE WESTFÄLISCHE aus Bielefeld:

"Die Politik befindet sich seit langem in einer tiefen Vertrauenskrise. Die Menschen vermissen den Erfolg der Reformschritte. Was von der Politik als Fortschritt bezeichnet wird, kommt unten oft nur als Griff in das Portemonnaie an. Es wäre sicher nicht falsch, wenn die Politik aufhören würde, Allmacht vorzugaukeln und Illusionen zu schüren. Merkel steht für eine Politik der kleinen Schritte aber die müssen zum Erfolg führen. Nur so ist Vertrauen wieder zu gewinnen."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN fragen, ob Politiker bei Reformen auch immer Streicheleinheiten verteilen müssen:

"Angela Merkel (....) kündigt eine Grundwertediskussion über das Menschenbild ihrer Partei und das Soziale im 21. Jahrhundert an. Mit anderen Worten: Man bleibt prinzipienfest, aber einige Kuschelelemente soll es auch wieder geben. Danach wird nun gesucht. Zu befürchten ist allerdings, dass am Ende nur wohlklingende Bekenntnisse, nicht jedoch ein erweiterter Politikbegriff herauskommt."

Und die LÜBECKER NACHRICHTEN merken an:

"Man darf gespannt sein, wie beispielsweise Großstädter, Jungwähler und mehr Frauen überzeugt werden sollen. Die Defizite bei diesen Gruppen sind alles andere als neu. Merkel jedenfalls hat in den letzten Wochen und schließlich in ihrer ersten Regierungserklärung wenig zur Erneuerung beigetragen. Ganz im Gegenteil... Der gleichzeitige Aufruf zum 'Herz für die Schwachen' wirkt da wie eine Beruhigungspille. Die Vorstandssitzung verabreichte Floskeln, einen Aufbruch zu neuen Ufern gab es nicht."

Themenwechsel: An diesem Dienstag nimmt US-Außenministerin Condoleezza Rice ihre politischen Gespräche in Berlin auf. Dabei sollen auch die angeblich illegalen Flüge der CIA über Europa tzur Sprache kommen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG meint zur Empörung in Europa:

"Was die Sache selbst anbelangt, so weiß man, dass die Regierung in Washington den Kampf gegen den Terrorismus auf 'robuste' Art führt. Sie selbst behauptet, sie wende ausschließlich legale Mittel an. Dass die Aufregung so groß ist, hat mit dem wachsenden Dissens über Zweckmäßigkeit der Mittel und rechtliche Zulässigkeit im Antiterrorkampf zu tun. Ein anderer Grund liegt in jener Grauzone, in die sich die Regierung Bush begeben hat - Guantánamo und Abu Ghraib haben Amerikas Antiterrorkampf geschadet und in Zweifel gestellt. Und so kann heute jede 'normale' Flugbewegung skandalisiert werden - und die Leute glauben es."

Die Rostocker OSTSEE-ZEITUNG gibt zu bedenken:

"Über alle vorgeblichen Geheimflüge mit mutmaßlichen Terroristen in angebliche Geheimverliese darf eines nicht vergessen werden: Es geht um den Kampf gegen hartgesottene, gefährliche Gegner. Um Terroristen, die zu allem, oft selbst dazu bereit sind, ihr Leben als Waffe einzusetzen. Letztlich geht es um den Schutz der Bevölkerung vor einem heimtückisch, entschlossen und konspirativ agierenden Feind. Der schlägt längst nicht mehr nur in Israel oder Ägypten zu. Auch in Europa. Bombenanschläge in Istanbul, Madrid und London mit hunderten Toten belegen diese permanente Gefahr."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nimmt die deutsche Position in den Blick:

"Die deutsche Politik hat zwar stets die Folter offiziell verurteilt, aber inoffiziell nichts dagegen gehabt, wenn man ihre Früchte ernten konnte. Deutschland, so sieht es aus, nimmt teil am american way der Terrorbekämpfung, der rendition genannt wird, ohne sich dabei allerdings, wie dies die Amerikaner tun, die Hände schmutzig machen zu wollen."

Im REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER heißt es dazu:

"Auch die Vielzahl von CIA- Flügen mit Terrorverdächtigen an Bord spricht eindeutig dafür, dass die Behörden Bescheid gewusst haben müssen. Der jetzige Innenminister Wolf gang Schäuble verweist auf seinen Amtsvorgänger Otto Schily - doch der duckt sich weg. Kein Wunder, wenn sich deshalb die Frage in den Vordergrund drängt, ob es eine Art Komplizenschaft zwischen deutschen und amerikanischen Behörden gab."

Und der MANNHEIMER MORGEN meint mit Blick auf eine mögliche Verstrickung von Ex-Innenminister Schily und dem jetzigen Außenminister Steinmeier:

"Bundeskanzlerin Angela Merkel hat kein Interesse an einer Eskalation des Konfliktes. Für sie würde die Angelegenheit erst brisant, wenn sich herausstellen sollte, dass ihr Außenminister Steinmeier mehr wusste, als es bisher den Anschein hat. Dazu müsste Schily sein Schweigen brechen. Der Bundestagssenior aber, so scheint es, verfährt diesmal nach dem Prinzip Kohl: aussitzen und abwarten."