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Pressestimmen von Dienstag, 6. Juli 2004

zusammengestellt von Barbara Zwirner.5. Juli 2004

SPD-Gewerkschaften / Pflegeversicherung / Rabatt-Republik

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Der Dauerstreit zwischen SPD und Gewerkschaften um den richtigen Weg zur Sanierung des Sozialstaates beschäftigt die Kommentatoren der deutschen Tagespresse. Weitere Themen sind die Diskussion um die Reform der Pflegeversicherung und die Tücken des Wohlstands.

Das Düsseldorfer HANDELBLATT schreibt:

"Es war einmal eine vorbildliche deutsche Arbeitnehmerorganisation. Ihr hoher Organisationsgrad wurde von Gewerkschaften in anderen Ländern bewundert, ihr gesamtwirtschaftliches Veranwortungs- Bewusstsein von Arbeitgebern im In- und Ausland geschätzt. Das ist längst Legende. Heute zollt den Einzelgewerkschaften Verdi und IG Metall sowie ihrem Dachverband DGB niemand mehr Respekt. Im Gegenteil: Ihnen laufen die Mitglieder davon, ihr traditioneller Bündnispartner SPD wendet sich ab...Die Schuld dafür liegt bei den Gewerkschaften selbst. Sie leisten sich Spitzenfunktionäre, die sich blind stellen für die Zeichen der Zeit. Was Bsirske, Peters und Sommer treiben, erinnert an den Weberaufstand."

In der BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG lesen wir:

"Hin- und hergerissen zwischen Reformern und Reformverweigerern steuert die SPD ihren Tanker mit immer weniger Mannen durch schwere See, ohne dass Land in Sicht käme. Das Ziel - mehr Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle - ist zwar in Erinnerung. Doch längst sind die Maschinen ausgefallen, der Kompass klemmt...Die Gewerkschaften haben kein erkennbar neues, schlüssiges Konzept, bringen allenfalls Versprechungen vor. Das ist zwar Balsam fürs Gemüt, aber kein Treibstoff für die Fahrt aus der Krise. Reformverweigerung führt zum Stillstand, wie er sozialpolitisch schon für die bleierne Kohl-Ära zum Markenzeichen wurde."

Die in Rostock erscheinende OSTSEE-ZEITUNG ergänzt:

"In dem Zerwürfnis kommt der tiefe Riss zum Ausdruck, der sich zwischen Reformieren und Bewahren quer durch die Gesellschaft zieht. Die Gewerkschaften haben sich auf trotziges Bewahren festgelegt, wobei die Fundamente des Sozialstaates gerade durch ein Weiter-so immer mehr zerfallen. Die regierende SPD dagegen ist dermaßen auf eine alternativlose Agenda-Politik gebürstet, dass schon kleine Zweifel an der sozialen Ausgewogenheit fast als Sakrileg geahndet werden. Dem Vorankommen des Landes dienen beide Maximalpositionen, jene von SPD und jene der Gewerkschaften, allerdings nicht."

Zur Diskussion um die defizitäre Pflegeversicheung meint das COBURGER TAGEBLATT:

"Die Reformbedürftigkeit der Pflegeversicherung wird in einer Weise ignoriert, wie es die Regierung bei Kranken- und Rentenversicherung nicht hätte wagen dürfen. Vielleicht auch, weil die hier direkt Betroffenen sich am wenigsten wehren können. Und weil man weiß, dass Verbesserungen Geld kosten, das man nicht hat oder aufbringen will."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN bemerken dazu:

"Eine echte Strukturreform muss her. Denn die Pflegeversicherung leidet unter einem schweren Geburtsfehler: Sie ist extrem anfällig gegen die Probleme einer alternden Gesellschaft. Dabei wird von Rot- Grün nichts Unmögliches verlangt. Für die Reform liegen drei Modelle auf dem Tisch. Seriös sind sie alle. Doch es passiert nichts. Warum? Die Antwort liegt auf der Hand. Rot-Grün fehlt die Kraft. Weil der Bundesrat ein Veto einlegen könnte, müsste die Regierung sich mit der Union auf ein Modell einigen. Da dies bis 2006 aber extrem unwahrscheinlich ist, droht ein düsteres Szenario. Bis dahin wird der Notgroschen verfrühstückt sein."

Abschließend ein Blick in den NORDBAYERISCHEN KURIER aus Bayreuth, der den Überfluss in dieser Gesellschaft aufs Korn nimmt:

"Alles wird billiger in Discount-Deutschland? Nicht alles, aber einiges schon. Handelsriesen und Autokonzerne haben zu Rabattschlachten geblasen, wie sie bislang unbekannt waren. Die Rabatt-Republik ist das Spiegelbild einer Gesellschaft, die im Überangebot lebt. Für die Unternehmen ist der Weg aus den Überkapazitäten mit harten Schnitten und vielen Entlassungen verbunden. Wenn die Konsumgesellschaft nicht genug konsumiert, sägt sie am Ast, auf dem sie sitzt. Dies ist der Preis, den uns der Wohlstand kostet."