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Pressestimmen von Dienstag, 7. Dezember 2004

zusammengestellt von Gerd Winkelmann6. Dezember 2004

Merkels Wiederwahl

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Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ist auf dem Bundes-Parteitag in Düsseldorf mit gut 88 Prozent der Stimmen als Partei-Chefin bestätigt worden und blieb deutliche sechs Punkte unter ihrem Ergebnis von 2002. Für den überwiegenden Teil der deutschen Tagespresse an diesem Dienstag Grund genug, ihre Kommentare mit Ursachen-Forschung zu füllen. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU meint:

'Klären, wohin das Land geführt werden soll: Das war der selbst gesetzte hohe Anspruch Angela Merkels bei ihrer Düsseldorfer Parteitagsrede. Nach fast zwei Stunden bemühten Vortrags bleibt die Antwort offen. Der Machtwille ist da, die große politische Idee hinter all den Einzelstichworten nicht. Und Merkels mittelmäßiger Auftritt passt zum mittelmäßigen Zustand der CDU. Genau wie es die Meinungsumfragen ausweisen: Die Union ist nach Monaten der Selbst- Überschätzung wieder beim Normalmaß angelangt und hat bis zum realistischen Führungsanspruch in der Republik noch einen langen Weg vor sich.'

Die Tageszeitung DIE WELT ist dagegen überzeugt:

'In CDU und CSU gibt es keine Alternative zu Angela Merkel. Es ist ihr stiller Triumph, daß der Parteitag in Düsseldorf diesen Eindruck wie selbstverständlich hinterläßt. Die Vorsitzende muß ihren Anspruch auf die Kanzlerkandidatur nicht mehr erklären, er hat sich gleichsam von selbst erklärt. Dennoch ist Angela Merkel auch in der CDU nicht mehr als ein halber Sieg gelungen. Die Vorsitzende hat sich in einer sehr langen Rede bemüht, aus Werten Wärme zu filtern, aus vielen Reformen ein großes Projekt zu formen. Das gelang immer dort anrührend glaubhaft, wo sie mit Blick auf ihr eigenes Leben unter dem Unrechtsregime der DDR erklärte, was Werte wie Freiheit und Vertrauen bedeuten. Das blieb immer dort blaß, wo sie ihre Reformen als scharfen Kontrast zu Rot-Grün, als 'grundlegend anders' pries.

In der FREIEN PRESSE aus Chemnitz lesen wir:

'Seit dem Parteitag von Leipzig klebt an der CDU-Chefin das graue Etikett 'zu hart, zu kalt, zu konsequent'. In Düsseldorf glaubte sie deshalb, dem nun 'wärmende' Begriffe entgegen setzen zu müssen. Ihr Bemühen, das wohlige Gefühl einer friedlichen und geeinten Parteifamilie aufkommen zu lassen, war unübersehbar. Heimat, Patriotismus, Familie, Kinder, Nachbarschaft, Gottvertrauen - das sind alles Vokabeln, die für das Befinden der Parteigänger wichtig sind, weil sie ihnen die Gewissheit vermitteln dürften, auf der 'richtigen' Seite zu stehen. Aber sie können keine konkrete Politik ersetzen; Politik, die die Wähler fasziniert. Schon gar nicht in der Auseinandersetzung mit einem Kanzler, der sich in Sachen Pathos und bei staatstragenden und wenn es sein muss sogar deutschtümelnden Floskeln von niemanden wird überbieten lassen.'

Die EßLINGER ZEITUNG schreibt zur Wiederwahl:

'Ihre Rede war kein rhetorisches Feuerwerk, dazu ist Merkel wohl auch nicht in der Lage. Aber ihr Auftritt reichte den Delegierten, um sie mit einem hinreichend klaren Ergebnis auszustatten. Dabei weiß Merkel ganz genau, dass dies nur ein Vertrauensbeweis auf Zeit ist. Gehen die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und vor allem in Nordrhein-Westfalen im nächsten Frühjahr schief, wird Merkel ganz schnell wieder zur Disposition stehen. Dazu gibt es die Kochs, die Müllers, die Beusts und die Wulffs aus der zweiten Reihe, die über mehr oder minder unverblümte Ambitionen verfügen. Merkel hat einen Etappensieg errungen; mehr war nach Lage der Dinge nicht möglich.'

Zu guter Letzt noch ein Blick in den Kommentar der OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera:

'Gestern ging es für Angela Merkel in Düsseldorf in erster Linie darum, zerbrochenes Porzellan zu kitten, verlorenes Vertrauen und verlorene Zuversicht zurückzugewinnen. Gemessen an Beifall und Ergebnis ihrer Wiederwahl ist dies der CDU-Vorsitzenden gelungen. Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Merkel viel Ratlosigkeit hinterlassen hat. Attacke auf Rot-Grün, ja nur das Wie blieb offen. CDU-Reformen, ja aber ob auf Steuer- und Gesundheits- Kompromiss weitere Projekte folgen? Fehlanzeige. Selbst wenn es Angela Merkel gelungen sein sollte, die eigenen Reihen zu schließen von einer CDU-Chefin mit Anspruch auf die Kanzlerkandidatur darf man mehr erwarten als politische Seelenmassage nach schweren Wochen.'