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Pressestimmen von Dienstag, 8. Januar 2002

zusammengestellt von Bernhard Schatz7. Januar 2002

Kanzlerkandidatur bei der Union

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Nach monatelangem Zögern haben CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber ihre Zurückhaltung in der so genannten K-Frage aufgegeben: Wer von der Union tritt bei der Bundestagswahl gegen Kanzler Schröder an? Merkel preschte vor ("ich bin bereit"), Stoiber zog einen Tag später nach ("ich kenne meine Verantwortung auch für die Union insgesamt"). Die K-Frage ist d a s Kommentar-Thema der deutschen Tageszeitungen am Dienstag.

Für die STUTTGARTER NACHRICHTEN steht fest:

"Angela Merkel geht es nicht mehr um den Sieg. Der ist verspielt.
Sie kämpft um ihr Profil. Deshalb hat sie sich jetzt aufs
Kandidatenkarussell gesetzt. Sie spektakulär herunter zu stoßen, kann Stoiber nicht wagen. Er muss es auch nicht. Sie steigt von selbst wieder ab. Aber dafür fordert sie einen Preis. Spätestens im angekündigten Vier-Augen-Gespräch, vorher aber schon bei der CDU-Vorstandsklausur in Magdeburg, wird sie ihn einfordern. Merkel will nicht als beschädigte Steigbügelhalterin in den Wahlkampf ziehen -
das müssen ihr die Parteioberen, das muss ihr Stoiber garantieren.
Und sie werden es. Denn auch die Chancen auf einen Wahlerfolg steigen beträchtlich, wenn der scharfkantige CSU-Kandidat eine unbeschädigte Vorsitzende für die 'weichen' Themen an der Seite hat."

Die SAARBRÜCKER ZEITUNG kommentiert:

"Wenn es darum geht, wer Schröder am besten bei den Ohren packen kann, fällt die Antwort eindeutig zu Gunsten des CSU-Chefs aus.
Werden doch die entscheidenden Felder dieses Wahlkampfes die Wirtschaftspolitik, der Arbeitsmarkt, die innere und äußere Sicherheit sein. Noch pokert Merkel hart und hoch. Auf was aber spekuliert sie, wenn sie in der Zielgeraden dann doch generös zu Gunsten von Stoiber verzichten wollte? Das wüsste man gern.
Dankbarkeit aber ist in der Politik keine wirkliche Kategorie."

In der Münchener ABENDZEITUNG lesen wir:

"Stoiber hat die Machtverhältnisse in der Partei für sich und alle Umfragen; Merkel ihre Verdienste als Retterin der Partei aus tiefer Krise und den vagen Glauben, die Zeit sei reif für eine Kanzlerin.
Durch ihr penetrantes Bestehen auf ihre eigenen Ansprüche hat sie den Eindruck erweckt, als könne sie gegen alle Vorzeichen das Rennen machen. Das zeugt von starkem Selbstbewusstsein, oder von mangelndem Urteilsvermögen. Die Entzauberung der CDU-Chefin wird umso schmerzlicher sein, je länger sie an ihrem Anspruch festhält. Denn dass sie jetzt noch die Partei hinter sich bringt, kann man getrost
ausschließen."

Die TAGESPOST in Würzburg glaubt:

"Stoiber kann bei der Bundestagswahl 2002 verlieren. Dann wäre seine weitere bundespolitische Karriere ohne Aussicht. Stoiber könnte jedoch ohne Gesichtsverlust zurück nach Bayern. Scheitert Merkel 2002 an Schröder, dann hat sie überhaupt keine politische Zukunft mehr.
Also sollte Angela Merkel so schlau sein, jetzt die Position der Fraktionschefin der Union im Bundestag anzustreben und vier oder acht Jahre zu warten - so wie Helmut Kohl bei seiner Niederlage in der unionsinternen Kandidatenkür 1976 gegen Franz Josef Strauß. Die Union sollte sich für Stoiber entscheiden."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER schreibt:

"Für Merkel wäre der Nicht-Gewinn der Kanzlerkandidatur eine
Katastrophe. Genau besehen, wäre es aber nur die ziemlich logische Folge einer für sie verhängnisvollen Entwicklung. Die frühere Generalsekretärin war gut genug dafür, die CDU aus dem Spendensumpf zu führen, aber danach hat ihr die Partei immer öfter die Gefolgschaft verweigert. Was auch damit zusammenhängt, dass sie selbst so wenigen traut. Steuerreform, Rentenkonsens, Zuwanderungspolitik - in allen wichtigen Punkten deutscher Innenpolitik haben sich wesentliche, manchmal entscheidende Teile der eigenen Partei quergelegt. Auch gestern wieder ein ähnliches Bild:
Stimme um Stimme für Stoiber aus Bayern, in der CDU dagegen das beredte Schweigen. Kein Koch, kein Wulff, kein Biedenkopf, kein Vogel, schon gar kein Teufel. Organisiert man so den Rückhalt für die eigene Kandidatin?"

Zum Schluss dieser Presseschau der KÖLNER STATDANZEIGER zur K-Frage:

"Hier steht nicht nur Frau Merkel auf dem Prüfstand, sondern
insbesondere die innere Verfassung der CDU. Ist es da nicht zu hoffen, dass sich wider jedweder deutschen Gesetzmäßigkeit das System Merkel durchsetzt, weil es mit mehr Demokratieverständnis einhergeht, weniger Ranküne, weniger dem (eitlen) Spiel mit der Macht, einem Schuss mehr Aufrichtigkeit, mehr 'Mitte', mehr Aussöhnung der beiden Teile unseres Landes und - mehr Liebenswürdigkeit, mit der sich am Ende mehr Menschen zu identifizieren vermögen?"