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Pressestimmen von Dienstag, 8. Mai 2007

Herbert Peckmann7. Mai 2007

Sarkozy wird französischer Präsident / Bundespräsident verweigert Begnadigung

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Nach der Wahl des Konservativen Nicolas Sarkozy zum Staatspräsidenten Frankreichs fragen sich die deutsche Zeitungen nach den Auswirkungen. Das andere herausragende Kommentarthema der Tagespresse ist die Ablehnung von Bundespräsident Horst Köhler, Ex-Terrorist Christian Klar zu begnadigen. Zunächst zu der Wahlentscheidung in Frankreich.

Unter dem Titel 'Robuster Konservatismus“ kommentiert die Zeitung DIE WELT:

“Die Sarkozy-Botschaft für Frankreich und seine Nachbarn lautet: Globalisierung hat kein Mitleid, wer die Wellen des Weltmarkts nicht reitet, wird von ihnen verschlungen. Der künftige Präsident der Republik verstand es, Vaterlandsliebe, Bürgerbewusstsein und Lust auf Leistung zu mobilisieren. Entscheidend war das Vertrauen der Bürger, dass Sarkozy … meint, was er sagt, und liefert, was er verspricht. … Mit Sarkozy … fegt ein kalter, frischer Windstoß durch Frankreich. Die Nachbarn müssen Türen und Fenster öffnen. Das wird ihnen gut tun“, meint DIE WELT.

Die Berliner Zeitung TAZ sieht Frankreich jetzt in zwei Lager gespalten.

Das Blatt konstatiert: “Wie real die Polarisierung in der französischen Gesellschaft ist, erwies sich in der Wahlnacht. Während Anhänger der Regierungspartei auf der Place de la Concorde feierten und tanzten, lieferten sich Polizei und Autonome auf der Place de la Bastille eine Straßenschlacht. In den Vorstädten brannten - trotz starker polizeilicher Präsenz - 367 Autos. Politisch sind diese Gewaltausbrüche schwer einzuordnen. Ob von der Wahl Sarkozys eine Politisierung ausgeht, ist unsicher. Aber sein Gerede vom 'Gesindel' wird in den Vorstädten so schnell nicht vergessen werden.“

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg fragt:

“Und was bedeutet die Wahl Sarkozys für Deutschland und Europa? Der Konservative hat zwar bewiesen, dass er nationale Interessen wie ein Löwe zu verteidigen weiß. Dass sich der französische Wahlkampf ausschließlich um innenpolitische Themen drehte, zeugt allerdings von einer großen Unsicherheit über den eigenen Platz im internationalen Konzert. So besteht durchaus die Chance, dass der neue Präsident diese Rolle mit Pragmatismus neu definiert. In der Wahlnacht tönte er jedenfalls schon einmal, dass Frankreich jetzt wieder zurück in Europa sei.“

Und in der FINACIAL TIMES DEUTSCHLAND lesen wir:

'Für Europa ist wichtig, dass Frankreich endlich wieder handlungsfähig ist. Jacques Chirac war seit dem Debakel beim Referendum über die EU-Verfassung europapolitisch eine lahme Ente. Jetzt zieht ein Präsident in das Élysée ein, der sich mit allen Vollmachten ausgestattet fühlen darf. Sarkozy hat absolut mehr Wählerstimmen erhalten als je ein französischer Präsidentschaftskandidat vor ihm. Der Aufsteiger gilt zudem als durchsetzungsstark: Davon könnte durchaus auch Europa profitieren da, wo sich Sarkozys Wollen mit europäischen Interessen deckt.'

Themenwechsel. In den Kommentaren spiegelt sich der Respekt für die Entscheidung von Bundespräsident Köhler, das Gnadengesuch des zu lebenslanger Haft verurteilten Ex-Terroristen Christian Klar abzulehnen. Gleichzeitig verpassen die Kommentatoren der CSU einen Rüffel, die diese Entscheidung mit Nachdruck vom Bundespräsidenten verlangt hatte.

Dazu schreibt die THÜRINGER ALLGEMEINE aus Erfurt:

“Horst Köhler blieb konsequent. Nachdem von Christian Klar noch kein Wort des Bedauerns oder der Reue bekannt geworden ist, war die Ablehnung seines Gnadengesuches durch den Bundespräsidenten folgerichtig. Der öffentlichen Belehrungen vor allem aus den Reihen der CSU hätte es dazu nicht bedurft. Köhlers Entscheidung haben sie kaum beeinflusst. Wohl aber deren Glaubwürdigkeit. Verfechter von Verschwörungstheorien über die Rache des imperialistischen Unterdrückungsstaates erhalten die Argumente frei Haus geliefert. Die RAF-Debatte dürfte damit vorerst wieder beendet sein. Zu einem Ergebnis hat sie nicht geführt.'

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG sieht es so:

“Die Ablehnung von Gnade macht aus einem Täter selbstredend kein Opfer. Die Art und Weise, wie die Gnadendebatte zuletzt von der CSU geführt wurde, hat aber den Bundespräsidenten zu ihrem Opfer gemacht. … Die CSU hatte ein frivoles Synallagma (also Gegenseitigkeitsverhältnis) hergestellt: 'Zweite Amtszeit nur bei Ablehnung der Gnade'. Diese Unverschämtheit war der krankhafte Höhepunkt der Gnadendebatte - und darin zeigt sich eine traurige politische Verkommenheit der CSU“, meint die SÜDEUTSCHE ZEITUNG.

Der FRÄNKISCHE TAG aus Bamberg beleuchtet ebenfalls diesen Punkt:

“Die Entscheidung des Bundespräsidenten zeigt, wie unnötig, falsch und unwürdig das Trommelfeuer der Begnadigungsgegner war. Ein Mann von geringerem Verantwortungsgefühl als Horst Köhler hätte versucht sein können, zugunsten des Häftlings zu entscheiden, nur um nicht in das Odium der Erpressbarkeit zu geraten.“

Schließlich noch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

'Köhlers Entscheidung schadet dem Rechtsfrieden in der Republik nicht, sie dient ihm. Sie wird der Schwere der Verbrechen Klars gerecht. Offenkundig hat der dem Bundespräsidenten auch im persönlichen Gespräch keinen Grund dafür geben können, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Das wird in Deutschland ohnehin nicht gnadenlos vollstreckt. Der zu fünfmal lebenslanger Haft plus fünfzehn Jahren verurteilte Klar kommt in gut eineinhalb Jahren auf Bewährung frei, wenn gerichtlich festgestellt wird, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. So behandelt der deutsche Rechtsstaat selbst jene, die ihn beseitigen wollten', schreibt die FAZ.“