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Pressestimmen von Donnerstag, 02. September 2004

Eleonore Uhlich1. September 2004

Russlands Kaukasuspolitik/ Kabinettsbeschluss zum Caroline-Urteil

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Zwei Themen stehen im Blickpunkt der deutschen Tageszeitungen an diesem Donnerstag: Zum einen der Kabinettsentscheid, keine Rechtsmittel gegen das so genannte Caroline-Urteil einzulegen, zum anderen die Kaukasuspolitik Russlands anläßlich der Geiselnahme in Nordossetien.

Dazu schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG:

"In der Haut von Präsident Putin möchte man nicht stecken. Der scheint ratlos zu sein, verwaltet ein Problem, dessen er nicht Herr werden kann. Seine gefälschten Referenden und Wahlen sind ein verzweifelter Versuch, einen Hauch von Legitimität und Stabilität in der Kriegsregion zu schaffen. Auf seine Truppen, seinen Geheimdienst, seine Polizei kann er sich nicht verlassen, sie machen ihre eigenen Geschäfte. Auch die meisten seiner tschetschenischen Verbündeten stehen nur zu Moskau, solange sie dafür bezahlt werden. Wie es in Tschetschenien weitergehen soll, weiß auch im Westen niemand."

Der REUTLINGER GENERAL-ANZEIGER stellt fest:

"Standhaft versuchen die großen europäischen Staaten und die USA diesen Konflikt zu ignorieren und auch der deutsche Bundeskanzler ist da leider keine Ausnahme. Damit sanktionieren sie indirekt das Vorgehen Moskaus gegenüber den Tschetschenen, die von russischen Soldaten wie von fanatisierten Fundamentalisten drangsaliert werden. Angeblich im Dienste Tschetscheniens und des Islam versuchen ehemalige Afghanistankämpfer den Konflikt zu exportieren. Nicht nur, aber auch die Ignoranz des Westens dient ihnen dafür als Begründung. Von diesen Fanatikern ist nicht zu erwarten, dass sie zur Einsicht gelangen."

Die TAGESZEITUNG aus Berlin befindet:

"Es wäre allerhöchste Zeit, dass EU-Europa dem russischen Präsidenten in aller Freundschaft dazu auffordert, im Kaukasus endlich eine politische Lösung anzustreben, statt aus einem eng begrenzten Autonomiekonflikt einen regionalen Flächenbrand zu machen. Aber entweder fehlt Putin die Größe zu einem echten Verhandlungsfrieden oder, noch schlimmer, er benutzt den Konflikt gezielt zu einer Remilitarisierung der russischen Gesellschaft. In beiden Fällen wird sich das Wegschauen über kurz oder lang auch für den Westen bitter rächen."

Das HAMBURGER ABENDBLATT stellt zum Thema Terrorismus fest:

"Tatsächlich befinden wir uns nicht im Krieg mit dem Islam. In Wahrheit geht es um den Kampf gegen unbelehrbare Fanatiker, die unter dem Deckmantel einer an sich friedlichen Religion ihre mittelalterliche Ideologie durchsetzen wollen. Gegen solche Täter helfen weder Argumente noch schiere Gewalt. Ihrem Hass kann nur wirkungsvoll begegnet werden, wenn sich die muslimische Welt endlich zu einer klaren Distanzierung vom Terrorismus durchringen könnte."

Scharfe Kritik hat der Kabinettsbeschluss zum so genannten Caroline-Urteil hervorgerufen. Die BERLINER MORGENPOST empört sich:

"Es ist schon bemerkenswert mit welcher Leichtfertigkeit das Bundeskabinett die Bedenken zahlreicher deutscher Chefredakteure, Intendanten und Rechtsexperten übergangen hat. Die Entscheidung des Bundeskabinetts ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der freien Presse. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat dem Bundesverfassungsgericht in seiner Urteilsbegründung letztlich vorgeworfen, die Menschenrechte in Deutschland nicht genügend zu achten. Kein Minister des Kabinetts Schröder hat sich öffentlich vor das höchste deutsche Gericht gestellt und die Richter gegen den Angriff aus Straßburg verteidigt. Über mögliche private Motive dafür darf nachgedacht, aber in Zukunft nicht mehr berichtet werden."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München kommt zu dem Schluss, der Bundeskanzler habe aus einer juristischen eine politische Entscheidung gemacht. Wir lesen:

"Damit friert er einen rechtlichen Klärungsprozess auf einem Stand ein, der ihm selber passt. Er verhindert den ordentlichen Gang der Dinge, er verhindert die Klärung in höherer Instanz. Damit verlässt der Kanzler seine Rolle als objektiver Vertreter deutscher Interessen und setzt die eigenen an deren Stelle. Selbst wenn er Recht hat: Er darf sich nicht zum Richter über eigenes Klagen machen, wie er es jetzt indirekt tut",

urteilt die SÜDDEUTSCHE, mit der wir diese Presseschau beenden.