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Pressestimmen von Donnerstag, 09. Oktober 2003

Frank Gerstenberg8. Oktober 2003

Arnold Schwarzenegger ist Gouverneur von Kalifornien / Die Reformkonzepte der CDU

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Die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen widmen sich vor allem der Wahl des aus Österreich stammenden Schauspielers Arnold Schwarzenegger zum Gouverneur von Kalifornien. Von großem Interesse ist auch der Richtungsstreit innerhalb der CDU über die Reformpläne für die Sozialversicherung.

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock traut dem Gouverneur Schwarzenegger nicht viel zu:

"Schwarzenegger hat es geschafft. Der Terminator Arnie spielt in Kalifornien ab sofort die Rolle des Gouvernators. Einst zog der österreichische Nobody mit gestählten Bizeps ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Filmindustrie brauchte den Muskelmann für Streifen mit viel Aktion und einfachen Botschaften. Schwarzeneggers Kandidatur im krisengeplagten Kalifornien bediente vor allem eine Grundsehnsucht nach Wohlstand, Sicherheit - und einer guten Story. Hollywood inszeniert Politik. Da Arnie jedoch außer enormem Sendungsbewusstein und platten Botschaften herzlich wenig zu bieten hat, könnte die Fortsetzung des Gouvernators schon bald dessen Entzauberung sein."

Für die MÄRKISCHE ALLGEMEINE aus Potsdam ist die Wahl Schwarzeneggers ein Symptom und deswegen ernst zu nehmen:

"Erst Bodybuilder, Barbar, und Terminator, daneben Betriebswirt und Geschäftsmann, schließlich Gouverneur von Kalifornien: Die Schwarzeneggersche Variante des 'Vom Tellerwäscher zum Millionär'-Rührstücks ist für Europäer noch gewöhnungsbedürftig. Neben der kulturpessimistischen Erwägung, dass Wähler möglicherweise immer weniger zwischen Schein und Wirklichkeit, zwischen fiktionalen und realen Charakteren, unterscheiden können oder wollen, istSchwarzeneggers Sieg zuallererst ein Warnsignal für die Berufspolitiker. Er ist das weithin sichtbare Zeichen des Kompetenzverlustes der politischen Klasse. Weil man ihr nichts mehr zutraut und weil sie selber mit mehr oder weniger begabten Selbstdarstellern bestückt ist, ist der Schritt, gleich zu den Profis der Selbstdarstellung zu wechseln, kein allzu großer mehr."

Der KÖLNER STADT-ANZEIGER bemerkt:

"Der Ausgang des Plebiszits in Kalifornien zeigt, wie das Wahlvolk reagieren kann, wenn es überzeugt davon ist, dass der Karren längst an die Wand gefahren worden ist und der herrschenden politischen Klasse keine Lösungskompetenz mehr zugetraut wird. Der Vertrauensverlust, den auch deutsche Politiker bei ihren Wählern längst erlitten haben, lässt sich monatlich anhand der neuesten Umfragewerte ermitteln und stimmt bedenklich. Es ist wohl nur dem verschachtelten deutschen Wahlrecht zu verdanken, dass solche Überraschungen wie jetzt in Kalifornien hier zu Lande auf absehbare Zeit ausbleiben werden."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München befasst sich mit dem Reformstreit innerhalb der Union:

"Die Welt des Adolf Kolping, der Caritas und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, die Welt also, aus der ein Hans Katzer und ein Norbert Blüm stammen, hat in dieser Partei keine Heimat mehr. Ihre Protagonisten bewegen sich in der CDU wie Heimatvertriebene, die einen anderen Dialekt sprechen. Die so genannten Herz-Jesu-Marxisten in der CDU stehen auf der Liste der aussterbenden Arten. Es gibt kaum Nachwuchs, und der, den es gibt, ist nicht in der Lage, den zahlreichen Ökonomisten der Partei Paroli zu bieten; deren Spektrum reicht von Friedrich Merz über Wolfgang Schäuble bis hin zu Wolfgang Bosbach. Bei den Sozialpolitikern dagegen ist schon das Wort Spektrum ein Euphemismus."

Die STUTTGARTER ZEITUNG sieht die Union am Scheideweg:

"Die alten Haudegen Norbert Blüm und Heiner Geißler sind zwar auf dem Altenteil, doch sprechen sie nach wie vor für viele in der CDU. Nach Stoibers Positionsbestimmung könnten sie bei den nächsten Regionalkonferenzen der CDU durchaus Zulauf erhalten. Die Diskussionen in den Reihen der Union dürften also rabiater werden - kaum verwunderlich für eine Volkspartei. Die Zeit jedenfalls, wo sie genüsslich den Auseinandersetzungen in der SPD folgen konnte, sind bis auf weiteres vorbei. Es hat die Stunde der Wahrheit geschlagen. Frau Merkel hat sich ihr gestellt, Edmund Stoiber auch, allerdings mit konträrem Ergebnis. Beide setzen auf Gemeinsamkeit. Nur: wo soll sie herkommen, es sei denn durch laue Kompromisse. Die brächten aber das Land kaum weiter."

Die KIELER NACHRICHTEN ziehen folgendes Fazit:

"Erst die SPD, nun die Union. Die Vorwürfe sind stets die selben: Da wirft der so genannte linke Flügel der beiden Parteien dem vermeintlich rechten vor, die soziale Kälte zu wollen. Erleichtert zeigt die rot-grüne Spitze auf die bösen Schwarzen, deren Konzepte ja noch viel grausamer und ungerechter sein sollen als die eigenen. Alte und alternde Spitzenpolitiker wie Geißler, Blüm und Lafontaine sehen sich um ihr politisches Lebenswerk gebracht und blenden dabei beharrlich die Realitäten aus, für deren Brisanz sie teils mit- verantwortlich sind. Aber die Zeit der ideologischen Grabenkämpfe sollte endgültig vorbei sein."