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Pressestimmen von Donnerstag, 1. April 2004

zusammengestellt von Barbara Zwirner. 31. März 2004

Afghanistan-Konferenz

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Herausragendes Kommentarthema in der deutschen Tagespresse ist an diesem Donnerstag die in Berlin eröffnete zweite Afghanistan- Konferenz. Dabei geht es insbesondere um weitere Hilfen beim Wiederaufbau und bei der Demokratisierung des Landes und den Kampf gegen den Drogenanbau.

Die STUTTARGTER NACHRICHTEN meinen:

" Ob Afghanistan eine Chance hat, entscheidet sich nicht in Mark und Pfennig, nicht in Euro oder Cent, obwohl Geld eine wichtige Rolle spielt. Nach mehr als zwei Jahrzehnten Krieg, nach Flüchtlingselend, Zerstörung, Willkürherrschaft und Unterdrückung fehlt der Bevölkerung jene Art von Zusammengehörigkeitsgefühl, die eine Nation überhaupt ausmacht. Mehr noch als die Unterschiede der
ethnischen Gruppen, ist es heute die Abhängigkeit von mächtigen Kriegsherren, den so genannten Warlords, die Afghanistan teilt. Zerklüftet und wüst war das Land am Hindukusch immer. Heute ist es zerrissen. Keine Geberkonferenz hat dagegen ein Patentrezept."

Die in Kassel erscheinende HESSISCHE/NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE kommentiert hingegen:

"Es ist auch einiges erreicht worden seit dem Sturz der Taliban: Drei Millionen Flüchtlinge konnten zurückkehren, eine Übergangsverfassung mit demokratischen Rechten auch für Frauen ist in Kraft, zahlreiche Schulen haben wieder geöffnet, Polizei und Armee sind im Aufbau. Deutschland und andere haben dabei mit Rat, Tat und Geld geholfen Ihr kluges und behutsames Vorgehen hat sich gelohnt."

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG lesen wir:

"Der Arm der Regierung Karzai reicht längst nicht so weit über die Hauptstadt hinaus, wie man das wünschen müsste. So sind auch die Wahlen in den Herbst verschoben worden. In der feudalen Stammesgesellschaft Afghanistans mit ihren seit Jahrhunderten geltenden Regeln ist es schwierig, eine Machtbalance herzustellen, bei der sich niemand benachteiligt fühlt... Nur mit großer Beharrlichkeit und ökonomischer Intelligenz wird man auch den fast exzessiven Anbau und Verkauf von Rauschgiften zumindest eindämmen können."

Die OSTSEE-ZEITUNG aus Rostock merkt an:

"Die Folgen von 22 Jahren Bürgerkrieg aber wirken nach. Afghanistan ist unvorstellbar arm. Es braucht weiter Hilfe. Deshalb der zweite Afghanistan-Gipfel. Dass der sich vor allem dem Problem Drogenanbau und -handel widmet, liegt nahe. Viele Bauern halten sich damit notgedrungen über Wasser, Warlords finanzieren so ihren Einfluss und Wohlstand. Wenn bis zu 90 Prozent des weltweiten Opium-Angebots schon aus Afghanistan stammen, dann ist das Land wieder zu einem internationalen Risiko geworden. Auch deshalb wird in Berlin nach hilfreichen Alternativen für die Afghanen zur Schattenwirtschaft
gesucht."

Mit dem Drogenproblem beschäftigt sich auch der MANNHEIMER MORGEN:

"Auf den afghanischen Drogenfeldern werden drei Viertel der weltweiten Rohopium-Produktion angebaut. Das Drogengeschäft ist äußerst profitabel: Ein Hektar Mohn bringt 12.000 Dollar ein, Weizen dagegen nur 300 Dollar. Mit den fetten Gewinnen finanzieren die regionalen Kriegsherren ihre Privatarmeen, die Bauern bekommen nur ein paar Almosen ab. Sie könnte man überreden, ihre Produktion umzustellen, erst recht, wenn sie ordentlich bezahlt werden. Doch zuerst müsste man die Mohnfelder zerstören und damit den Stammesfürsten den Krieg erklären. Ein gefährliches Unterfangen."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG aus Frankfurt/Oder sieht die Rolle der Bundeswehr wie folgt:

"Hinter den ständigen Bekenntnissen für die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes am Hindukusch verbirgt sich zunehmende Unsicherheit. Dieser Tage ist wieder im Kosovo deutlich geworden, dass ohne politische Lösungen der Frieden nicht gewonnen werden kann. Internationale Militärprotektorate stellen keinen dauerhaften Ersatz für eine zivile Perspektive dar. Zugleich ist klar: Wenn die Bundeeswehr und andere Kontingente vom Balkan oder aus Afghanistan abziehen, gehen die Volksgruppen wieder aufeinander los, Fundamentalisten bekommen Oberwasser. Das ist der unauflösliche Konflikt, in dem sich der Westen befindet."