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Pressestimmen von Donnerstag, 10. August 2006

Bernhard Kuemmerling9. August 2006

DocMorris-Filliale in Deutschland / Sicherheit deutscher Atommeiler

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Der niederländische Arznei-Versandhändler DocMorris darf seine erste Apotheke in Deutschland vorerst weiter betreiben. Die damit ausgelöste Debatte über eine völlige Liberalisierung des Apothekenmarktes beschäftigt auch die Kommentatoren der Tagespresse. Ein weiteres Thema ist die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke.

Zu DocMorris schreibt die ALLGEMEINE ZEITUNG aus Mainz:

"Deutsche Apotheken standen bisher quasi unter Denkmalschutz - und zwar keineswegs nur die, die ihr Domizil in historisch wertvollen Gebäuden hatten. Nein, das ganze System an sich genoss die besondere Fürsorge des Gesetzgebers. Nun könnte alles anders werden. Zwar wäre es gefährlich, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Was aber nicht mehr sein darf, sind Gesetze, die einen Schutzzaun um die Branche ziehen und beinahe schon so etwas sind wie die Lizenz zum Gelddrucken. Da sind Änderungen nötig. Sie wären nicht mehr als recht und billig, sowohl angesichts der Milliarden-Defizite im deutschen Gesundheitswesen als auch unter dem Aspekt der Gerechtigkeit: Wenn sich Ärzte und Anwälte schärferem Wettbewerb stellen müssen, dann ist das auch für Apotheker zumutbar."

Ähnlich die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera:

"Wenn sich DocMorris bei dem juristischen Streit durchsetzt, steht dem Apothekenmarkt in Deutschland ein gewaltiger Umbruch bevor. Nicht allein Apotheker, sondern auch ganz normale Firmen wären dann in der Lage, in der Bundesrepublik eine Apotheke oder sogar Apothekenketten zu eröffnen. Der erste zaghafte Einstieg in den Versandhandel und den Preiswettbewerb bei nicht rezeptpflichtigen Medikamenten in den vergangenen zwei Jahren hat gezeigt, dass mehr Wettbewerb eine segensreiche Wirkung für Kunden und die Beitragszahler ausüben kann."

In der BERLINER ZEITUNG lesen wir:

"Die Freiberufler in Deutschland gerieren sich gern als Hohepriester des Marktes. Es ist schon erstaunlich, dass eine großes Gruppe von ihnen die Apotheker plötzlich dann nichts mehr vom Markt wissen will, wenn die eigene Nische in Gefahr ist. Der Berufsstand argumentiert, dass die Patienten nur in mittelständischen Strukturen mit einer fachkundigen Beratung rechnen können. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum ein angestellter Apotheker, der in Diensten einer großen Kette steht, per se ein schlechterer Ratgeber sein soll. Wenn es der Apothekerschaft wirklich um den Kunden ginge und nicht ums eigene Geld, würde sie sich mit Freude dem Wettbewerb stellen."

Und der Kölner EXPRESS bemerkt:

"Lebensmittel sind in Deutschland konkurrenzlos billig, weil es den harten Wettbewerb der Discounter gibt. Telefonieren wird immer günstiger, seit neue Anbieter dem alten Monopolisten das Leben schwer machen. Mit den Medikamentenpreisen wird es nicht anders sein. Kommt Konkurrenz zu den etablierten Apotheken auf, dann sparen die Kunden Geld. Für die selbstständigen Apotheker freilich wird das Überleben schwerer. Können sich jetzt oft mehrere Apotheken nebeneinander halten, so wird dann mancher Betrieb aufgeben müssen. Doch diejenigen, die auf ihre Stärken setzen kompetente Beratung, persönliches Vertrauen bei den Patienten werden es schaffen."

Themenwechsel. Nach dem Störfall im schwedischen Atommeiler Forsmark fordert die Bundesregierung weitere Sicherheitsüberprüfungen der deutschen Kernkraftwerke.

Dazu bemerkt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München:

"Die Sicherheit der Reaktoren darf weder eine Frage der parteipolitischen Färbung noch der grundsätzlichen Einstellung zur Kernenergie sein. Dass Forsmark aber die Atom-Diskussion befeuert, ist nicht nur in Deutschland unvermeidlich. Wenn in einem Reaktor mehr als 20 Minuten die Anzeige-Instrumente versagen, ist das keine läppische Panne."

In den KIELER NACHRICHTEN heisst es:

"Was haben wir aus den Vorfällen in dem schwedischen Kernkraftwerk Forsmark gelernt? Die Gegner des Atoms sagen: Das Teufelszeug muss weg, lieber heute als morgen. Die Befürworter erwidern: Keine Gefahr, alles im grünen Bereich. Ende der Durchsage. So verläuft die Energiedebatte seit Jahren. Wie ein Grabenkampf: Wer den Kopf aus der Deckung hebt, kriegt was übergebraten. Es ist aber nicht nur nutzlos, es ist sogar höchst riskant, die Atomenergie wegen ihrer Risiken zu verteufeln und gleichzeitig die Augen zu verschließen vor den Risiken einer Energieversorgung ohne Atomkraft. Beides muss gegeneinander abgewogen werden. Es ist Zeit für eine Debatte ohne ideologische Scheuklappen."

Der BERLINER KURIER meint:

"Ein Glück, dass wir mit unseren Atomkraftwerken keine schwedischen Probleme haben. Wie beruhigend: Ein skandinavischer Fast-GAU wird uns nicht treffen. Oder müssen wir doch zittern vor deutschen Problemen mit der Kernkraft, die wir bloß noch nicht kennen. Es gibt offenbar noch nicht einmal ein Informationssystem zwischen AKW-Betreibern. Seinen Kopf hält Gabriel für sie jedenfalls nicht hin. So verstrahlt ist er nicht. Atomstrom ohne Risiko gibt es nicht, weiß der Politiker. Deshalb lässt er weiter prüfen, ob die Werke wirklich sicher sind bevor der Blitz einschlägt."

Abschliessend noch ein Blick in die Münchener ABENDZEITUNG:

"Es geht doch nicht darum, ob die elektrischen Schaltpläne hundertprozentig vergleichbar sind. Schweden ist kein Drittwelt- oder Billigland mit schlampigen Standards. Und dennoch sind dort Pannen in den Sicherungssystemen des Störfallmeilers aufgetreten, von denen man bisher keine Ahnung hatte, dass sie überhaupt denkbar sind. Und natürlich gibt es unentdeckte Fehlerquellen auch bei uns? man kann nur hoffen, dass bei ihrer Entdeckung jeweils rechtzeitig reagiert wird. In Schweden haben es die Techniker nach 23 Minuten geschafft, die zwei Notstromaggregate per Hand zu starten. Wenn nicht, hätte es eine Katastrophe geben können, die nicht nur Schweden betroffen hätte. Sondern auch uns."