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Pressestimmen von Donnerstag, 10. Januar 2002

zusammengestellt von Gerhard M Friese10. Januar 2002

Arbeitsmarktzahlen Deutschland/CDU-Kanzlerkandidatur

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Die Konjunktur in Deutschland lahmt weiter: Die Zahl der
Arbeitslosen ist im Dezember auf fast vier Millionen gestiegen, Besserung ist nicht in Aussicht und Bundeskanzler Gerhard Schröder kündigt eine stärkere Förderung von Kombilöhnen an.

Dazu schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG:

"Schröder hat sich zu sehr auf die Demographie verlassen, die seine Verheißung, die Zahl der Arbeitslosen unter 3,5 Millionen drücken zu können, zunächst risikolos erscheinen ließ. Allein durch den Alterungsprozeß der Gesellschaft sollte der Arbeitsmarkt in dieser Legislaturperiode um eine halbe Million Nachfrager entlastet werden. Die Eintrübung des Konjunkturhimmels hat diese Rechnung als Schönwetterpolitik entlarvt. Heute hat Schröder schon nicht mehr die Wahl zwischen der Aufgabe des Konsolidierungsziels in der Haushalts- Politik und dem Verfehlen der Zielmarke bei der Arbeitslosigkeit. Wenn es nur darum ginge, fiele ihm die Entscheidung wahrscheinlich leicht. Mit neuen Subventionen kann er nur noch beide Ziele krachend verfehlen."

Der NORDBAYRISCHE KURIER merkt an:

"Stoiber im Nacken, neue Hiobsbotschaften vom Arbeitsmarkt: Für den Kanzler wird es eng. Mit jedem Zehntelprozent mehr Arbeitslosenquote schmelzen die Reserven an Wirtschaftskompetenz, die sich diese Regierung vielleicht noch erhalten hat, dahin. Das könnte Gerhard Schröder das Genick brechen, wenn es darum geht, in einem von Wirtschafts- und Sozialpolitik beherrschten Wahlkampf gegen den Manager-Typ Edmund Stoiber zu bestehen. Wenn der Patient Deutschland wieder genesen will, kommt er um bittere Medizin nicht herum. Sonst gibt es Langzeitschäden - und die einstige Wirtschaftslok Deutschland döst endgültig auf dem Abstellgleis vor sich hin."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG meint:

"Kombilöhne versprechen dann Erfolg, wenn sie in ein großes Reformkonzept eingebettet werden. Dazu gehören eine effizientere Jobvermittlung, mehr Druck auf Arbeitsunwillige, weniger Hürden für Unternehmer und klare Zuständigkeiten für die Arbeitslosen bei Bund, Ländern und Gemeinden. Vor allem müsste sich der Staat entscheiden, seine Auf- und Ausgaben grundlegend zu reduzieren. Nur so entstehen dauerhafte Anreize. Durch Kombilöhne den Wohlstand von einer Bevölkerungsgruppe zur anderen umzuverteilen, wäre im Rahmen einer generellen Ausgabensenkung akzeptabel. Dann fielen Anreize, die an einer Stelle entstehen, nicht an anderer weg."

Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG ergänzt:

"...Eigentlich müsste die Regierung aus ihrer Politik der ruhigen Hand erwachen. Auf den ersten Blick tut sie das - aber nur bei ebenschauplätzen wie dem Kombilohn. An grundlegende Reformen traut sich Rot-Grün, in Sichtweite der Bundestagswahl, nicht heran. Nun rächt sich, dass man die relativ guten Konjunktur- und Arbeitsmarktzeiten mitten in der Legislaturperiode nicht genutzt hat, grundlegende Veränderungen, die Deutschland endlich wieder vom Schluss an die Spitze der Europäischen Union bringen könnten,
anzuschieben."

Die WETZLARER NEUE ZEITUNG sieht das aus einem anderen Blickwinkel:

"Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, trifft den Nagel auf den Kopf mit seiner Bemerkung, der Motor lasse sich nicht per Bundestagsbeschluss anwerfen. Wer abbaut statt zu investieren, darf sich nicht wundern, wenn sich die Abwärtsspirale immer schneller dreht. Allein der ängstliche Blick nach Amerika, das uns irgendwann im Laufe des Jahres wieder mit nach oben ziehen soll, hat mit mutigem Unternehmertum nichts zu tun. Genau das aber braucht Deutschland, um nicht endgültig zum Wirtschaftszwerg zu mutieren."

Die ESSLINGER ZEITUNG befasst sich mit dem möglichen Kanzler- Kandidaten Edmund Stoiber, CSU, und dessen Befürworter in der CDU:

"Dass die Partei sich mehrheitlich für Stoiber entscheiden würde, muss keinen verwundern, denn die Mischung aus 'einem italienischen Renaissancekardinal und dem Anwalt eines niederbayerischen Zuhälters' - so ein Kenner der Szene - verfügt über alle Qualitäten, die der Unionsbasis imponieren. Er ist ein Leithammel, er hat reihenweise Wahlen gewonnen und er regiert erfolgreich sein Land. Dagegen ist Merkel in einer Krise der Partei an die Spitze gespült worden und kann noch keine eigenen Erfolge vorweisen."

Der TRIERISCHE VOLKSFREUND hält dagegen:

"Das rot-grüne Hohngelächter über die vermurkste Kandidatenkür in Ohren, machen Merkel und Stoiber noch immer gute Miene zum bösen Spiel. Das ist erstaunlich und lässt auf eine beachtliche Frustrationstoleranz schließen. Bloß, der gemeinsamen Sache - dem Wahlsieg - dient dieser öffentliche Machtkampf nicht. Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, sind CDU und CSU gerade dabei, eine große Chance zu verspielen. Denn es ist fraglich, ob die Spaltung der Union in ein Merkel- und ein Stoiber-Lager noch zu kitten ist."