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Pressestimmen von Donnerstag, 10. Oktober 2002

Gerhard M Friese 9. Oktober 2002

Die EU-Erweiterung / Das Posten-Gerangel bei Rot-Grün / Neue Bahn-Tarife

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Drei Themen prägen an diesem Donnerstag die Kommentare deutscher Tageszeitungen: Der Vorschlag der Europäischen Kommission, die EU bis 2004 um zehn Mitglieder zu erweitern, die Personaldiskussion bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin sowie das neue Tarifsystem der Deutschen Bahn.

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU fordert vor der EU-Erweiterung erhebliche Vorarbeiten:

"Mit der Erweiterung geht die Union die Gefahr ihrer Zerfledderung ein. Dagegen gibt es nur zwei Mittel: Zum einen muss der EU- Reformkonvent vor dem Vollzug der Beitritte im Jahre 2004 klar ziehen, dass der Prozess der politischen Vertiefung nicht nur weitergeht, sondern noch beschleunigt wird. Zum anderen haben es Nettozahler und Integrationisten - wie Deutschland - bei den Finanzverhandlungen in der Hand, den neuen, aber auch einigen alten Mitgliedern klar zu machen, dass es um mehr geht, als um die Umverteilung von Geld. Um die Risiken der Erweiterung beherrschbar zu halten, muss der Druck zur politischen Integration erhöht werden."

Die LEIPZIGER VOLKSZEITUNG sieht darin einen Schritt zum politischen Europa:

"Bislang wuchs Europa vorsichtiger. Die anstehende Aufnahme neuer Mitglieder ist ein Experiment. Die EU hat sich von ihrer Gründung an konsequent als Wirtschaftsgemeinschaft entwickelt. Stets eilten die ökonomischen Visionen voraus, die politischen humpelten hinterher. Binnenmarkt hieß das große Ziel, nicht Vereinigte Staaten von Europa. Die Erweiterung 2004 aber kehrt dieses Prinzip um. In Wahrheit steht die politische Vereinigung Europas diesmal vor den wirtschaftlichen Vorteilen."

Ähnlich auch die RUHR-NACHRICHTEN aus Dortmund:

"Dass ein Großteil der Menschen diesem Prozess im Gegensatz zur offiziellen Pathetik nüchterner und skeptischer bis hin zu offener Ablehnung gegenüber steht, ist verständlich... Gleichwohl lehrt die Erfahrung der vergangenen 50 Jahre, dass es zum europäischen Integrationsprozess keine Alternative gibt. Wer über Brüssel und Straßburg schimpft, der sollte sich Waterloo, Sedan, Verdun und vor allem die Schrecken des Zweiten Weltkriegs vor Augen halten. Aus den Erfahrungen des Grauens sind seinerzeit die politischen Visionen geboren worden, die heute Realität werden. Ein historisches Vermächtnis, das es für alle Zeiten zu bewahren gilt."

Eigentlich sollten die Personalfragen bei den Koaltionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen ganz zum Schluss erörtert werden. Doch die Diskussion ist längst entbrannt.

Der BERLINER KURIER sieht darin eine Zukunftsinvestition:

"Schröder will nur noch diese Wahlperiode Kanzler sein (sagt er), Clement will aber die SPD an der Macht halten - möglichst dann unter seiner Führung. Dazu brauchen beide jetzt nicht nur ein gutes Team, sondern auch eine neue Politik. Und die geht nur mit Leuten, die bereit sind, Schröder und Clement nahezu blind zu folgen. Wir erleben daher in diesen Tagen den Beginn einer Politik, die dem Wort des ersten SPD-Kanzlers Willy Brandt neuen Sinn geben soll: Wir schaffen das moderne Deutschland. Wünschen wir dem neuen Superteam auch Super-Erfolg."

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG sieht das ganz anders:

"Die Entscheidung für das neue 'Superministerium' kam deshalb so schnell zu Stande, weil die Person schon im Hintergrund bereitstand. Dagegen kranken die Folgediskussionen daran, dass gewissermaßen über Abwesende geredet wird. Das hat etwas Gespenstisches und sieht zumindest von außen so aus, als würden lauter Nägel ohne Köpfe gemacht. Von Systematik und konzeptionellem Denken ist keine Spur mehr. Die Koalition ist dabei, auch ihre zweite Chance zu verstolpern."

Einfach, klar und kundenorientiert, so stellte der Chef der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, das neue Tarifsystem vor.

Die TAGESZEITUNG aus Berlin sieht das so:

"Wer weiß, um wie viel Uhr er in zwei Wochen in den Fernzug steigen wird, darf sich über das neue Preissystem der Bahn freuen. Auch für Eltern und Gruppenreisende wird es künftig billiger. Doch viele werden sich ärgern, wenn sie ab dem 15. Dezember ein Ticket unmittelbar vor Abfahrt lösen - und sich doch lieber wieder hinters Steuer klemmen. Denn das Auto hat einen ganz entscheidenden Vorteil gegenüber der Bahn: Es ist extrem flexibel und fährt ab, wenn der Fahrer will. Genau diesen Systemvorteil ihres schärfsten Konkurrenten baut die Bahn mit dem neuen Preissystem weiter aus."