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Pressestimmen von Donnerstag, 11. Januar 2007

Eleonore Uhlich10. Januar 2007

Neue europäische Energiestrategie / Energiedebatte in Deutschland

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Die Brüsseler EU-Kommission hat ihre Vorschläge für eine gemeinsame europäische Energiepolitik vorgestellt. Danach sollen die Staaten der Europäischen Union unabhängiger von Energie-Importen aus Drittländern werden. Angestrebt ist auch, den Ausstoß von Treibhausgasen weiter zu reduzieren und den Wettberwerb auf dem Energiessektor zu steigern. Das Vorhaben, die Energieriesen in Stromerzeuger und Netzbetreiber aufzuspalten ist in Berlin bereits auf Ablehnung gestoßen. Auch in den Zeitungskommentaren spiegelt sich überwiegend Skepsis:

Im HAMBURGER ABENDBLATT lesen wir:

"Das Ziel ist zu begrüßen. Doch der Weg dorthin scheint fragwürdig. Wer soll die Netze übernehmen? Viele Staaten werden beim Gedanken an die anstehenden Investitionen dankend abwinken. Steht der in der deutschen Verfassung verankerte Schutz des privaten Eigentums dagegen? Es bleibt der Rat an die Staaten, ihre heutigen Kontroll- und Eingriffsmöglichkeiten noch stärker als bisher wahrzunehmen. Und das ständige Drehen an der Steuerschraube sollte unterbleiben. Denn auch deshalb steigen die Strom- und Gasrechnungen."

Die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG aus Regensburg befindet:

"Die löbliche Ankündigung, den CO2-Ausstoß bis 2020 um ein Fünftel zu reduzieren, muss an der Realität gemessen werden. Die EU ist zwar in Sachen Klimaschutz Vorreiter. Sie hat ja auch das Kyoto-Protokoll mitunterzeichnet. Aber es ist jetzt schon klar, dass sie ihre eigenen Ziele nicht einmal bis 2012 einhalten kann. Das gibt die EU- Kommission sogar selber zu. Mehr als Ankündigungen sind daher Taten gefragt."

Die in Potsdam erscheinende MÄRKISCHE ALLGEMEINE stellt fest:

"Gegen China, die USA oder Russland hat in diesem Monopoly nur ein einiges Europa mit seiner Marktmacht und seinem politischen Gewicht überhaupt eine Chance zu bestehen. Leider zeigt sich aber genau hier auch Europas Zerstrittenheit. Brüssels neue Energiepolitik wird deshalb ein Papiertiger bleiben. Weder werden sich die Europäer auf ihr Verhältnis zur Kernenergie einigen können, noch ihre Stromriesen von der EU zerschlagen lassen. Und eine klare Strategie gegenüber Russland ist auch noch nicht in Sicht."

Der MANNHEIMER MORGEN zieht folgendes Fazit:

"Die EU wird nun zeigen müssen, ob sie wirklich zu einer einheitlichen (Energie-)Außenpolitik fähig ist. Natürlich muss man über Energiesparlampen ebenso reden wie über mehr alternative Energieträger, aber mittel- und langfristig braucht Europa sichere Lieferpartner. Und die, das muss man auch einmal offen sagen, hat es (mit Ausnahme der eigenen Mitglieder wie Großbritannien) eben nicht. Europa braucht eine gemeinsame Energiepolitik, für nationale Eifersüchteleien ist da kein Platz mehr", unterstreicht der MANNHEIMER MORGEN, mit dem wir diese Presseschau abschließen.

Bei einer Kabinettsklausur in Berlin hat sich Bundeskanzlerin Merkel erneut zu dem im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Atomausstieg bekannt. Sie sei vertragstreu an dieser Stelle. Gleichzeitig warnte sie vor Denkverboten. Dazu der Kommentar der AACHENER NACHRICHTEN:

"Wie sagte die Kanzlerin neulich? Es mache keinen Sinn, das Thema Atomausstieg jeden Morgen neu zu beleben. Schön, wenn sie sich auch selber daran hielte. Stattdessen übt Angela Merkel eifrig den nuklearpolitischen Spagat: Ecstasy für die Kernkraft-Freaks in der Union (Keine Denkverbote!), Valium für den sozialdemokratischen Partner (der Ausstieg gilt!). Ja, was denn nun? Die bekennende Kernkraft-Anhängerin im Kanzleramt will sich mit ihrem knallharten Sowohl-als-auch durch den Rest der Legislaturperiode lavieren."

Die KIELER NACHRICHTEN dagegen halten fest:

"Es ist (...) nur folgerichtig, dass die Kanzlerin einerseits Vertragstreue verspricht, was den beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie betrifft, dass sie sich aber andererseits gegen Denkverbote ausspricht. Es täte auch dem Regierungspartner gut, wenn er die Atomkraft nicht länger als Tabu behandelte."

Auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG behält die Atomkraft als Option im Auge und führt den Gedanken an einem Fallbeispiel aus:

"Jedem, der es hören will, rechnet Gabriel vor, dass "um das Jahr 2020", wenn das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet sei, die bis dahin installierte Leistung "sanfter" Energieerzeuger jene der heute bestehenden Kernkraftwerke weit übertreffen werde. (...) Das heißt: Bei plötzlich oder gar dauerhaft auftretender Sommerflaute in Deutschland müsste die Strommenge (...) mit einem Schlag aus zuschaltbaren .. Gaskraftwerken geliefert werden - falls das Gas dann fließt. (...) Frau Merkel hat zwar koalitionsvertraglich darauf verzichtet, am "Atomausstieg" zu rütteln, als Bundeskanzlerin hat sie aber die Pflicht, Tatsachen ins Auge zu fassen, die bei Vertragsabschluss so nicht erkennbar waren", urteilt die FAZ.