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Pressestimmen von Donnerstag, 11. Oktober 2007

Christoph Schmidt10. Oktober 2007

Chemie-Nobelpreis für Gerhard Ertl

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Die Freude ist hierzulande groß, auch wenn die wenigsten eine Ahnung davon haben, woran die beiden deutschen Wissenschaftler denn überhaupt geforscht haben, denen am Dienstag und Mittwoch die Nobelpreise für Physik und Chemie zuerkannt wurden. In den Pressekommentaren mischt sich unter die Glückwünsche für Peter Grünberg und Gerhard Ertl aber auch grundsätzliche Kritik.

Die LANDESZEITUNG aus Lüneburg schreibt:

'Zwei Nobelpreise in den Königsdisziplinen der Naturwissenschaften sind ein Grund zum Stolz für die deutsche Grundlagenforschung, aber kein Grund zur forschungs- und bildungspolitischen Entwarnung. Die Fortschrittsskepsis der achtziger Jahre speiste in Deutschland eine feindselige Haltung gegenüber den Naturwissenschaften. Die Folgen sind auf vielen Ebenen spürbar: von mangelhaften Schülerleistungen bis hin zu Forschern, die bürokratische Regelungswut ins Ausland trieb. Ein Signal kann von den Entscheidungen des Nobelkomitees ausgehen, Grundlagenforschung auszuzeichnen, die noch zu Lebzeiten der Forscher in der Automobil-, Nahrungsmittel- und Computerindustrie praktisch genutzt werden konnte.'

In der STUTTGARTER ZEITUNG heißt es:

'Die Überraschung auf allen Seiten, gleich doppelt mit der angesehensten wissenschaftlichen Auszeichnung bedacht worden zu sein, spricht Bände: Viele haben diesen Erfolg nicht für möglich gehalten, obwohl die Leistungen Grünbergs und Ertls in der Fachwelt bekannt und unbestritten sind. In den 80er Jahren war das noch anders: Damals gab es hierzulande regelmäßig Nobelpreisträger zu feiern. Es ist nun ein bisschen wie nach der Papstwahl und der Handball-WM. Dieses Gefühl von Aufschwung kann die Wissenschaft gut gebrauchen.'

Das OFFENBURGER TAGEBLATT bemerkt:

'Bevor die Nation, die auch den Papst stellt, überschnappt, muss ein Hinweise auf die ungemachten Hausaufgaben erlaubt sein. In der Bildungsstudie Pisa wird Deutschland von anderen Nationen abgehängt. Gerade die beiden aktuellen Nobelpreisträger zeigen, dass die beste Zeit deutscher Forschung schon ein paar Jahre hinter uns liegt. Beide sind um die 70 und die Forschungsergebnisse sind ebenso ergraut. Nur wenn Deutschland sein Geld in die Ausbildung der Kinder und die Forschung steckt, kann es die weltweite Bedeutung und auch den hohen Lebensstandard halten.'

Und der Berliner TAGESSPIEGEL meint:

'Was den meisten Wissenschaftlern nur selten oder nie gelingt, war für Ertl und sein Team schon fast Routine: Veröffentlichungen in angesehenen Fachzeitschriften. Wahr ist aber auch, dass den meisten Deutschen Ertl und Grünberg fast unbekannt sind. Das mag daran liegen, dass ihre Forschung hoch kompliziert ist. Oder daran, dass wir uns zu wenig um unsere hellsten Köpfe kümmern. In Südkorea sind Wissenschaftler Stars. Da müssen wir noch aufholen. Das Bewusstsein dafür, wie wichtig Wissen und Forschen für unser Land sind, wächst nur langsam.'